In seiner Regierungserklärung wirbt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für neue Milliarden-Pakete. Mahnung an Griechen - Reform muss sein.

Berlin. Im Bundestag hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für neue Milliarden-Hilfen für das von einer Staatspleite bedrohte Griechenland geworben. „Die Lage in Griechenland und damit auch in Europa ist ernst“, sagte Schäuble in seiner Regierungserklärung im Bundestag. Ohne neues Geld bestehe die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit – „mit schwerwiegenden Risiken für die globale Entwicklung“.

Schäuble forderte auch die Griechen zu Reformen aus. „Das ist für weitere Hilfeleistungen eine unersetzliche Voraussetzung.“ Das Land müsse nicht nur sparen, sondern die Wirtschaft wieder flott machen – etwa durch die Privatisierung von Staatsbetrieben. Zugleich sei eine Beteiligung des Privatsektors bei der Lösung der Probleme „unvermeidbar". Die Koalitionsfraktionen wollen neue Finanzhilfen für das hoch verschuldete Griechenland von der Zustimmung des Parlaments und der Einbeziehung privater Gläubiger abhängig machen. Einen entsprechenden Entschließungsantrag soll noch am Freitag vom Bundestag verabschiedet werden.

Schäubles Umschwung liegt der sogenannte "Troika"-Bericht zugrunde. Von Anfang Mai bis Anfang Juni haben die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) die Lage Griechenlands genau unter die Lupe genommen. Der Bericht ist nun die Grundlage für die nächste Hilfszahlung an Griechenland.

Ergebnisse aus dem „Troika“-Bericht

FINANZIERUNG: „Griechenland wird wahrscheinlich nicht in der Lage sein, 2012 auf die Märkte zurückzukehren“, heißt es in dem Bericht. Eigenlich war geplant, dass das Land sich ab Anfang 2012 wieder am privaten Kapitalmarkt Geld beschaffen kann. „Dieses Szenario erscheint zu diesem Zeitpunkt äußerst unwahrscheinlich“, heißt es weiter. Die Kosten einer Marktfinanzierung seien weiterhin nicht tragbar. „Die Finanzierungsstrategie muss überprüft werden“, so die Prüfer. Das Anpassungsprogramm sei nun unterfinanziert. „Die nächste Auszahlung kann nicht stattfinden, bevor das Problem dieser Unterfinanzierung gelöst ist“, wird klargestellt.

PROGRAMMUMSETZUNG allgemein: In dem Bericht heißt es: „Nach einem kraftvollen Anfang im Sommer 2010 kam die Umsetzung der Reform in den letzten Quartalen zum Stillstand.“ Es gebe unter anderem deutliche politische Risiken. Neue Impulse seien erforderlich.

WIRTSCHAFTSENTWICKLUNG: Die Rezession scheine etwas tiefer und länger auszufallen als angenommen. Die Wirtschaftsleistung sei 2010 um rund 4,5 Prozent und damit etwas deutlicher geschrumpft. „Einiges deutet darauf hin, dass die Wirtschaft derzeit ins Gleichgewicht zurückfindet und die Quartale mit der stärksten Schrumpfung bereits vorüber sein könnten“, heißt es. Allerdings werde für die zweite Hälfte des Jahres 2011 noch von einem weiteren Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ausgegangen. Das BIP-Minus für 2011 werde nun mit 3,8 Prozent veranschlagt. Positive, aber moderate Wachstumsraten würden ab 2012 (plus 0,6 Prozent) erwartet.

HAUSHALTSSANIERUNG: Die quantitativen Haushaltsziele für das erste Quartal 2011 seien erreicht worden. Die Steuererhebung sei aber weiter geringer als angestrebt. Die zahlreichen Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung hätten ihre Wirksamkeit noch nicht voll entfaltet. Etliche Schwächen bei der Ausgabenkontrolle seien noch nicht behoben. Würden keine Maßnahmen ergriffen, würde das Staatsdefizit 2011 nahe dem Niveau von 2010 bleiben. Die Regierung habe mehrere Maßnahmen angekündigt.

PRIVATISIERUNG: Die griechische Regierung gehört dem „Troika“-Bericht zufolge zu den europäischen Staaten mit dem umfassendsten Bestand an Anlagewerten. Ihr Bestand umfasse börsennotierte und nicht börsennotierte Unternehmen, Konzessionen und Immobilien wie Gebäude und kommerziell interessante Grundstücke. Die meisten dieser Vermögenswerte hätten keine nennenswerten Einkünfte erzielt. Vielmehr verursachten verlustbringende staatseigene Unternehmen Kosten für die Steuerzahler. Die Privatisierung werde zur Reduzierung der Staatsverschuldung beitragen. Dem Bericht zufolge wurde ein vorläufiger Zeitplan vereinbart. „In Kürze“ werde eine Privatisierungsstelle eingerichtet. Geplant seien verbindliche Quartalsziele zu den Privatisierungserträgen.

FINANZSEKTOR: „Die Lage im Finanzsektor ist weiterhin äußerst angespannt“, heißt es weiter. Die Banken seien nach wie vor von den internationalen Finanzmärkten abgeschnitten, und das Einlagenniveau schrumpfe weiter. Die aus dem Risiko staatlicher Kreditnehmer, das mit dem Besitz von Staatsanleihen einhergeht, abzuleitende Eigenkapitalquote des griechischen Bankensystems sei insgesamt „zufriedenstellend“. Die Qualität der Vermögenswerte verschlechtere sich indes weiter. Die griechische Zentralbank werde zusätzliche Kapitalspritzen benötigen.

STRUKTURREFORMEN: Die Wettbewerbsfähigkeit habe sich dank der Lohnkürzungen verbessert. Dennoch haben die Strukturreformen dem Bericht zufolge noch nicht die kritische Masse erreicht, die zu sichtbaren Ergebnissen bei der Produktivität und Wachstumsfähigkeit der Wirtschaft führen würde. Die „Troika“ empfahl unter anderem, dass für jede Maßnahme ein Projektmanager ernannt wird. (dpa)