Die Börse in Japan bricht ein wie nie zuvor, Versicherer stehen vor Milliardenkosten, Toyota und Honda müssen ihre Produktion stoppen.

Tokio. Ausverkauf in Tokio: Wegen der Erdbebenkatastrophe hat der japanische Aktienmarkt am Montag starke Kursverluste verzeichnet. Der Nikkei-Index stürzte 6,2 Prozent ab und schloss bei 9620 Punkten. Der breiter gefasste Topix-Index brach 7,5 Prozent auf 847 Punkte ein und verzeichnete damit den größten Tagesverlust seit der Lehman-Brothers-Pleite im Oktober 2008.

Die Angst vor schweren Nachbeben und weiteren Atomunfällen ließ die Kurse zahlreicher Unternehmen in die Tiefe stürzen. Die Sorge vor langfristigen Engpässen bei der Stromversorgung verschärfte den Ausverkauf.

Stellen Sie uns Ihre Fragen zu Japans atomarer Katastrophe

Mit knapp 4,9 Milliarden Papieren wechselten so viele Anteilsscheine wie nie zuvor ihren Besitzer in der Geschichte der Tokioter Börse. Die Betreiberfirma mehrerer havarierter Reaktoren, Tepco, wurde wegen einer Fülle von Verkaufsaufträgen vom Handel ausgesetzt.

„Investoren verkaufen aggressiv, weil sie kein Risiko eingehen wollen“, sagte der Berater Hiroshi Arano von Mizuho Asset Management. Man könne den Umfang des Ausverkaufs nicht absehen.

Honda und Toyota schließen Werke kurzzeitig

Von den Kursrückgängen waren besonders Hersteller von Autos und Elektronik sowie Betreiber von Ölraffinerien betroffen. Viele Unternehmen mussten wegen der Zerstörungen die Produktion in wichtigen Fabriken einstellen. So blieben alle Toyota-Werke in Japan am Montag geschlossen, die Produktion soll bis Mittwoch ruhen. Die Toyota-Aktie gab um 7,9 Prozent nach.

Honda-Papiere lagen 6,5 Prozent im Minus, der Autobauer hatte ebenfalls einen Produktionsstopp zunächst bis Sonntag verkündet. Sony-Aktien gaben um 9,1 Prozent nach. Einige Titel wurden wie Tepco vom Handel ausgesetzt.

Kontrolle von Lebensmittelimporten

Unterdessen will der südostasiatische Stadtstaat Singapur wegen der Probleme in den japanischen Atomanlagen die Einfuhr von Nahrungsmitteln aus Japan auf mögliche Verstrahlungen untersuchen. Es handele sich dabei um eine Vorsichtsmaßnahme und es würden Proben der importierten Ware genommen, erklärte die Nahrungsmittelbehörde in Singapur.

Bei der Untersuchung auf eine mögliche radioaktive Verstrahlung hätten frische Produkte wie Fisch Vorrang. In Singapur gibt es zahlreiche japanische Restaurants, besonders Sushi ist bei den Menschen sehr beliebt.

Rekordhilfen fürs Finanzsystem

Mit Geldspritzen in Milliardenhöhe will die japanische Notenbank die wirtschaftlichen Folgen der Erdbebenkatastrophe abfedern. Ihr Programm zum Aufkauf von Wertpapieren werde um fünf Billionen Yen (rund 44 Milliarden Euro) ausgebaut, teilte die Bank of Japan am Montag kurz vor Handelsschluss in Tokio mit. „Die Produktion wird wahrscheinlich für einige Zeit schrumpfen“, begründete die Zentralbank ihren Schritt. „Wir sind auch besorgt, dass sich die Stimmung in der Geschäftswelt und bei Verbrauchern verschlechtern könnte.“ Finanzminister Yoshihiko Noda begrüßte die „angemessene und rasche Entscheidung“.

Die Bank of Japan behält auch deshalb ihre Nullzinspolitik bei. Geschäftsbanken können sich bei ihr weiter zu einem Leitzins von 0,0 bis 0,1 Prozent mit Geld eindecken. Die Notenbank kündigte außerdem an, die Rekordsumme von umgerechnet etwa 132 Milliarden Euro für das Finanzsystem zur Verfügung zu stellen. „Dieser Schritt zielt darauf ab, die Finanzmärkte zu stabilisieren“, sagte ein Notenbanker zu Reuters.

Der Ratingagentur Moody's zufolge gibt es keine größeren Störungen im Zahlungssystem. Allerdings sei der ökonomische Schaden durch die Katastrophe größer als zunächst erwartet. „Die wirtschaftlichen Folgen scheinen größer zu sein als wir noch am Freitag angenommen hatten“, sagte Moody's-Experte Tom Byrne zu Reuters Insider TV.

Der Nordosten Japans ist am Freitag vom schwersten Erdbeben in der Geschichte des Landes erschüttert worden und anschließend von einem Tsunami überrollt worden. Dabei sind auch mehrere Atomkraftwerke schwer beschädigt worden.

Milliardenkosten für Versicherer

Die japanische Katastrophe dürfte nach einer ersten Branchenschätzung alleine an Gebäuden versicherte Schäden von bis zu 35 Milliarden US-Dollar angerichtet haben. Darin seien die Folgen des Tsunami noch nicht enthalten, teilte der auf Risikoanalysen spezialisierte Versicherungsdienstleister AIR Worldwide am Wochenende in Boston mit.

Auch Schäden an der Infrastruktur oder Produktionsausfälle haben die Experten noch nicht eingerechnet. Vorläufig beziffern sie die erwarteten, versicherten Gebäudeschäden auf 15 bis 35 Milliarden Dollar. Die Unsicherheit ist den Angaben zufolge noch groß, weil wichtige Daten zur Ausbreitung der Erdbebenwellen noch nicht bekannt sind.