Experten der Wirtschaft halten es für sehr wahrscheinlich, dass Griechenland bereits 2013 neue Hilfen in Anspruch nehmen muss.

Brüssel. Führende Wirtschaftsexperten rechnen spätestens 2013 mit einem neuen Hilferuf Griechenlands und haben erneut einen Ausstieg des Landes aus der Eurozone ins Gespräch gebracht. Es sei "sehr wahrscheinlich", dass Griechenland bereits 2013 neue Hilfen in Anspruch nehmen müsste, sagte Jan-Egbert Sturm, der Vorsitzende des Europäischen Sachverständigenrates EEAG, der am Dienstag in Brüssel ein Gutachten zur Lage in Europa vorlegte. Nach Ansicht der Wissenschaftler gibt es nur drei Optionen: Zum ersten, dass die Europäer weiter Geld zuschießen, was nach den Worten Sturms jedoch den Umbau zu einer Transferunion bedeuten würde. Alternativ sei eine äußerst schwer vermittelbare drastische Kürzung aller Löhne und Gehälter um bis zu 30 Prozent notwendig - oder drittens die Rückkehr des Landes zur Drachme.

Zu begrüßen sei keine der drei Varianten, betonte Sturm. "Es geht hier um die Wahl zwischen Übeln."

Die schlechteste Alternative ist nach Auffassung der Wissenschaftler die Transferunion, da sich mit ihr keine strukturelle Besserung der Lage einstellen würde. Anders sähe es nach Einschätzung der Sachverständigen bei der internen Senkung der Gehälter sowie im Falle eines Ausstiegs aus der Eurozone aus. Zwar wäre letzteres nicht nur eine "peinliche Geschichte", betonte Sturm. Es drohe auch der gesamte Bankensektor zu kollabieren, wenn sämtliche Anleger ihre Guthaben auf einen Schlag abzögen. Um "irgendwie wieder einen gesunden Zustand" herzustellen, führe an einer der beiden letztgenannten Alternativen kein Weg vorbei.

Ein Schuldenerlass alleine ist nach Ansicht der Fachleute keine echte Alternative. "An einem gewissen Haircut wird nichts vorbeiführen", betonte Sturm. Dieser werde "aber nicht das gesamte Problem vom Tisch fegen".

Auch Portugal bald unterm Rettungsschirm?

Auch Portugal wird nach Einschätzung der Wissenschaftler über kurz oder lang unter den Rettungsschirm flüchten müssen. "Das ist nur eine Frage der Zeit", sagte Sturm. Für Spanien und Irland schätzt der Vorsitzende des Sachverständigenrates die Lage weniger ernst ein. "Problemkind bleibt Griechenland, auf Platz zwei folgt dann Portugal."

Der Europäische Sachverständigenrat ist ein privater Zusammenschluss von sieben europäischen Wirtschaftsexperten, darunter auch Ifo-Chef Hans-Werner Sinn, die ihre Expertise auf europäischer Ebene gebündelt haben. (dapd)