Es klingt nach verkehrter Welt: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihren Leitzins gerade erst auf den tiefsten Stand seit Bestehen gesenkt - und die Baugeldzinsen steigen.
Hamburg. "Wir gehen davon aus, dass viele Banken in dieser Woche ihre Konditionen um bis zu 0,20 Prozentpunkte anheben werden", sagt Robert Haselsteiner, Vorstand des Baufinanzierungsvermittlers Interhyp dem Abendblatt. Ob ein Bauherr 4,70 oder 4,50 Prozent für eine zehnjährige Baufinanzierung bezahlen muss, macht einen großen Unterschied: Die höhere Kondition führt in zehn Jahren bei einem Kredit über 200 000 Euro zu zusätzlichen Kosten von 4000 Euro.
"Der Zinsanstieg wird sich noch fortsetzen, deshalb raten wir Interessenten, jetzt abzuschließen und nicht noch einige Wochen abzuwarten", sagt Haselsteiner. Den Zinsanstieg begründet er mit der Entscheidung der EZB, Anleihen anzukaufen, um die Geldversorgung der Wirtschaft anzukurbeln. "Dieses Instrument des Gelddruckens hat den Markt überrascht und Inflationsgefahren heraufbeschworen." Nun würden höhere Zinsen bei langfristigen Anleihen und Pfandbriefen verlangt, die die Basis für Baufinanzierungen seien, so Haselsteiner.
Wer ganz niedrige Zinsen für seine Baufinanzierung haben will, muss neue Wegen gehen: variabler Zins statt Festzins. Hier wirkt sich die Zinssenkung der EZB unmittelbar aus. Basis für solche Baufinanzierungen ist der 3-Monats-Euribor (European Interbank Offered Rate), ein Referenzzinssatz, der zeigt, welche Zinssätze Banken untereinander für kurzfristige Einlagen zahlen. Die Banken erheben darauf einen Aufschlag von rund einem Prozentpunkt und bieten diesen Zins für variable Baufinanzierungen an. Interhyp bietet eine solche variable Finanzierung aktuell zum Effektivzins von 2,21 Prozent an.
"Wenn man ein solches Darlehen mit einem Festzinsdarlehen kombiniert, kommt man auf einen Mischzins von effektiv 3,30 Prozent", sagt Heidi Müller von Interhyp. Voraussetzung für diese Kombination sei, dass mindestens ein Drittel der Darlehenssumme variabel finanziert wird. Auch die Hamburger Sparkasse bietet ein solches Kombinationsprodukt. "Das Interesse an variabler Finanzierung nimmt jetzt spürbar zu", sagt Ulrike Zobel von der Haspa. 40 Prozent der Kreditsumme können damit variabel finanziert werden. Der aktuelle Effektivzins beträgt dafür 2,33 Prozent, für die Festzinshypothek werden 4,55 Prozent fällig.
Die variable Finanzierung bietet eine Reihe von Vorteilen. Der Tilgungssatz kann ebenso verändert werden wie auch Sondertilgungen jederzeit möglich sind. "Das kommt Kunden entgegen, die bereits eine Immobilie besitzen, die sie nach dem Bezug ihres neues Hauses veräußern wollen", sagt Christiane Lorch von der Deutschen Bank. Die Deutsche Bank verlangt für eine variable Finanzierung effektiv 2,04 Prozent. Ändert sich die Situation oder steigen die Zinsen "kann das Darlehen jederzeit in ein Festzinsdarlehen umgeschichtet werden", sagt Zobel. Die Konditionen für ein variables Darlehen werden quartalsweise neu angepasst. Manche Banken wie die Deutsche Bank oder die DKB Bank bieten für variable Kredite auch zusätzlich eine Obergrenze an. Bei der Deutschen Bank kostet eine solche Sicherheit 0,75 Prozentpunkte. Die Zinsobergrenze beträgt damit 5,25 Prozent für drei Jahre. Wie wichtig das sein kann, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise im Oktober 2008 schnellte der Euribor kurz auf 5,38 Prozent.
Doch diese Gefahr droht jetzt kaum. Die Chancen, dass die Zinsen noch unter zwei Prozent fallen, stehen gut. "Wir erwarten, dass die Leitzinsen, die den Euribor bestimmen, mindestens für die nächsten zwölf Monate festgezurrt sind und die variablen Zinsen deutlich unter den Festzinsen bleiben werden", sagt Haselsteiner.
Der Baufinanzierungsberater Max Herbst sieht die Kombiprodukte aus fester und variabler Finanzierung kritisch. "Meist werden sie von Banken angeboten, die bei den festen Zinsen nicht die besten Konditionen haben", sagt er. Das Problem sei, bei steigenden Zinsen, rechtzeitig in ein Festdarlehen umzuschichten. "Viele machen sich vorher nicht bewusst, dass sie dann für diesen Teil ihres Kredits wahrscheinlich einen höheren Zins zahlen als sie zu Beginn der Finanzierung für den anderen Teil vereinbart haben." Die Alternative dazu ist die komplette variable Finanzierung. "Das setzt voraus, dass man weiß, was man tut und die Zinsentwicklung ständig verfolgt", sagt Herbst. Wichtig sei auch, die Konditionen für die Zinsanpassung und den Referenzzinssatz zu kennen.
"Das ist nicht für alle Kunden geeignet", sagt Haselsteiner. "Wer Sicherheit will sollte sich für eine Festzinsfinanzierung und eine möglichst lange Zinsbindung entscheiden."