Betreiber gehen gegen umstrittenen Teil des Hochfrequenz-Handels vor. Börsen wollen so gesetzliche Regeln vermeiden, so Experten.
Frankfurt/London. Der automatisierte Hochfrequenz-Handel an den Börsen hat etwas Unheimliches. Computer, die mit komplizierten Formeln gefüttert werden, bewegen innerhalb von Millisekunden Milliarden. Politikern und Regulierern ist das sogenannte Algo-Trading seit Jahren ein Dorn im Auge. Sie fürchten, dass durch den Handel per Autopilot Kettenreaktionen und Betrugsfälle wahrscheinlicher werden – und nehmen die Branche deshalb ins Visier.
Im Rahmen einer neuen EU-Richtlinie soll der Hochfrequenz-Handel mit Hilfe mathematischer Algorithmen stärker reguliert werden. Sollte die derzeit diskutierte Finanztransaktionssteuer in der Euro-Zone tatsächlich einführt werden, könnten Teile des lukrativen Geschäfts abwandern oder ganz zum Erliegen kommen . Große Börsenbetreiber gehen deshalb jetzt mit eigenen Maßnahmen in die Offensive – und hoffen, der Politik damit den Wind aus den Segeln zu nehmen.
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Unternehmen wie die Deutsche Börse, die London Stock Exchange und die amerikanische Nasdaq haben zuletzt Strafgebühren gegen besonders umstrittene Teile des Hochfrequenz-Handels angekündigt – und kommen der Politik damit nach Ansicht von Experten entgegen. „Die Börsen versuchen, das Algo-Trading selbst zu regulieren, damit es nicht ganz abgeschafft wird“, sagt Analyst Christian Muschick von Silvia Quandt Research. Prophylaktisch selbst etwas zu unternehmen sei besser als auf die Verordnung der Regulierer zu warten, betont auch Andrew Bowley, der Algo-Trading-Chef der japanischen Investmentbank Nomura in London.
Vorgenommen haben sich Anbieter wie die Deutsche Börse eine Kundengruppe, die ihnen ohnehin seit längerem Probleme bereiten: Händler, die eine Vielzahl von Aufträgen durch das System jagen, am Ende aber extrem selten handeln. Sie verstopfen mit einer Flut von Aufträgen die IT-Systeme – oft mit Orders, die „weit weg von aktuellen Marktpreisen eingestellt werden und die eine extrem geringe Ausführungswahrscheinlichkeit haben“, sagt der zuständige Börsen-Manager Michael Krogmann. „Für uns ist es deshalb wichtig, unsinniges Handelsverhalten zu bestrafen.“
Wie andere Anbieter bittet die Deutsche Börse deshalb seit März diejenigen Kunden zur Kasse, bei denen das Verhältnis von Aufträgen und Handelsabschlüssen (order-to-trade-ratio) besonders weit auseinanderklafft. Aus Sicht von Analyst Muschick macht die Abgabe Sinn, da die Order-Flut auch die Systeme von Banken und Brokern belastet. „Das Vorgehen hat auch andere Marktteilnehmer gestört. Die Deutsche Börse musste sich deshalb sicher nicht groß überwinden, die Entgelte einzuführen.“
Ob die neuen Vorschriften reichen, um die Regulierungsbehörden zu besänftigen, ist Experten zufolge allerdings fraglich. Arlene McCarthy, ein britisches Mitglied des Europäischen Parlaments, fordert beispielsweise Strafzahlungen ab einer order-to-trade-ratio von 250 – eine deutlich niedrigere Untergrenze, als sie die Deutsche Börse nun festgelegt hat.
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McCarthys deutscher Kollege Markus Ferber will zudem, dass der Hochfrequenzhandel durch die Überarbeitung der Finanzmarktrichtlinie Mifid entschleunigt wird. Der CSU-Politiker fordert eine Mindesthaltefrist für Aufträge, bevor sie wieder storniert werden können, und Gebühren, wenn Aufträge vor Ablauf dieser Frist zurückgezogen werden. „Nur so bekommen wir den Hochfrequenzhandel in den Griff und das Geschäft mit ultra-schnellen Transaktionen verliert seinen Reiz.“
Auch Experten zweifeln, ob die nun freiwillig eingeführten Entgelte den Handel deutlich verändern werden. „Ich weiß nicht, ob das wirksame Strafen sind oder nur Schall und Rauch“, sagt Joe Saluzzi, der Mitgründer des US-Brokers Themis Trading. Andrew Morgen, der die Aktien-Handelsplattform „Autobahn“ der Deutschen Bank leitet, geht nicht davon aus, dass sich für die meisten Hochfrequenz-Händler etwas ändert. „Die Regeln dürften asoziales Marktverhalten verhindern, aber sie sind nicht so hart, dass sie das normale Geschäft beeinflussen werden.“