US-Konzern übernimmt niederländische TNT Express - Verstärkte Konkurrenz für Post im Paketgeschäft - UPS und TNT Express wollen globalen Marktführer schmieden

Düsseldorf/Amsterdam. In der Paket- und Logistikbranche werden die Karten mit einer Milliarden-Übernahme neu gemischt: Der US-Gigant UPS will für rund 5,16 Milliarden Euro den niederländischen Rivalen TNT Express schlucken und der Deutschen Post damit in Europa verstärkt Konkurrenz machen. „Wir schmieden einen Weltmarktführer“, kündigte UPS-Finanzchef Kurt Kuehn am Montag in Amsterdam an. UPS stockte nach langen Verhandlungen mit dem TNT-Management seine Offerte leicht um 50 Cent auf 9,50 Euro je Aktie auf und rang damit den über Wochen zögerlichen Niederländern die Zustimmung zur Übernahme ab. TNT-Chefin Marie-Christine Lombard sprach von einem „schweren, aber auch großen Tag für TNT Express“.

Aus Sicht der Deutschen Post muss UPS aber noch größere Hürden überspringen: Der Bonner Konzern rechnet mit Bedenken der EU-Wettbewerbshüter. Eine Gegenofferte plant die Post weiter nicht, bekräftigte der Konzern. Analysten vermuten, die Milliarden-Übernahme könnte der Post sogar nutzen. Aktien der Post und auch von TNT Express legten leicht zu.

Vorstand und Aufsichtsrat von TNT Express sowie die niederländische Post als größter Anteilseigner unterstützen die aufgestockte Offerte von UPS, teilte TNT Express mit. Nach Angaben beider Firmen beinhaltet das Angebot einen Aufschlag von 53,7 Prozent auf den TNT-Express-Aktienkurs vom 16. Februar. Einen Tag später haben die zwei Konzerne ihre Übernahmegespräche bekanntgegeben. Eine erste Offerte über 9,00 Euro hatte das niederländische Unternehmen zurückgewiesen.

Nun will UPS nicht mehr lange fackeln. Bis Ende September will der US-Riese die Übernahme in trockene Tücher bringen, in der Express- und Logistik-Industrie soll ein weltweit agierender Gigant mit einem Umsatz von über 45 Milliarden Euro entstehen. Zum Vergleich: Der Konzern Deutsche Post hat 2011 abseits des Briefgeschäfts einen Umsatz von rund 39 Milliarden Euro eingefahren.

UPS wurde 1907 in der US-Stadt Seattle gegründet und hat sich zum Marktführer in den USA gemausert. Knapp 400.000 Menschen beschäftigt der US-Riese weltweit, bei TNT sind es rund 77.000 Personen. 1976 hatte UPS die ersten Schritte nach Europa gewagt – der Konzern nahm den deutschen Markt in Angriff. Am Flughafen Köln Bonn und damit in unmittelbarer Nähe zur Zentrale der Deutschen Post unterhält er sein europäisches Luftfrachtdrehkreuz, das er derzeit für rund 200 Millionen US-Dollar weiter ausbaut.

An den Plänen für Köln Bonn werde festgehalten, versicherte UPS-Chef Scott Davis – obwohl TNT Express sein Drehkreuz für Luftfracht in der Nachbarschaft, im belgischen Lüttich, unterhält. Vielleicht würden sich die „Funktionen“ für Lüttich ändern, stellte UPS in Aussicht. Dies kann aber dauern: Über rund vier Jahre werde sich die Integration von TNT Express hinziehen. Langfristig wird dann auch die Marke TNT vom Markt verschwinden.

TNT war 1946 in Australien gegründet worden und später von den Niederländern übernommen worden. Mitte 2011 war TNT Express dann vom Briefgeschäft der niederländischen Post abgespalten worden – nun verliert der Konzern wieder seine Unabhängigkeit. Mit einem Marktanteil von 18 Prozent ist TNT in Europa führend vor DHL, der Tochter der Deutschen Post, die auf 15 Prozent kommt. „Wir sind ein stolzes Unternehmen“, sagte TNT-Express-Chefin Marie-Christine Lombard. „Es ist schwer, wenn man übernommen wird“, räumte sie ein. Ihr Unternehmen steuere nun aber auch auf eine große Zukunft zu – denn nun entstehe ein „Weltmarktführer“.

Davis und Kuehn betonten, UPS habe schon länger Interesse an TNT Express gehabt; jetzt sei der richtige Zeitpunkt dafür gekommen, einen globalen Konzern zu schmieden. Schließlich handelten auch die Kunden, vielfach Großkonzerne, in der ganzen Welt. Express- und Logistikkonzerne als Laufburschen der Industrie müssten sie dabei begleiten. Zugleich sei die Übernahme von TNT Express auch ein Beweis des Vertrauens in Europa – und ein Zeichen dafür, dass UPS auch in der alten Welt Wachstum erwarte. Zulegen kann der US-Riese mit der Übernahme aber auch in Asien, Australien und Brasilien – dort hat TNT Express zuletzt seine Zustellnetze ausgebaut.

Aus Sicht der Deutschen Post ist UPS aber noch nicht am Ziel: Der Konzern erwarte eine eingehende Prüfung durch die EU-Kommission, sagte ein Post-Sprecher. Diese kann sich nach den Regularieen der EU-Wettbewerbshüter über Monate hinziehen. UPS rechnet damit indes nicht – die EU-Kommission werde die Übernahme nach nur einem Monat durchwinken, zeigte sich Finanzchef Kuehn zuversichtlich.

Die Deutsche Post will sich zudem nicht in letzter Minute zum Störenfried entwickeln: Der Bonner Konzern werde kein Gegengebot für TNT Express machen, bekräftigte ein Post-Sprecher. „Wir fühlen uns mit unserer gegenwärtigen Aufstellung sehr wohl“, hatte Post-Chef Frank Appel erst Anfang des Monats unterstrichen. Bei Zukäufen sehe er „sicher keinen strategischen Handlungsbedarf“. Für die Post habe die Kombination aus TNT und UPS keine negativen Effekte, erklärten Analysten der DZ Bank. TNT Express sei schließlich der schwächste der großen Konzerne in der Branche, der immer wieder Druck auf die Preise für Sendungen gemacht habe. Zudem zeige die UPS-Offerte auch, dass die Marktbewertung für DHL zu niedrig sei, ergänzte ein anderer Analyst. TNT Express hatte zum Jahresende nach Problemen in Brasilien und China operative Verluste geschrieben – die DHL-Bereiche der Post fuhren 2011 einen operativen Gewinn (Ebit) von 1,7 Milliarden Euro ein. (rtr)