Die kriselnden Geldinstitute des Kontinents leihen sich mehr als eine halbe Billion Euro von der Europäischen Zentralbank. Das wirft Fragen auf. Lesen Sie hier die wichtigsten Antworten.
Frankfurt/Main. Die Summe ist gigantisch. 529,5 Milliarden Euro leihen sich Europas Banken bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Erst kurz vor Weihnachten hatten die Währungshüter fast 500 Milliarden Euro in die Märkte gepumpt. Die Notenbank ist – wie viele Ökonomen auch – überzeugt, dass sie mit Geldschwemme und Zinsen auf dem Rekordtief von 1,0 Prozent eine Kreditklemme verhindert. Es gibt aber auch Kritiker, vor allem aus Deutschland.
Woher kommt das ganze Geld eigentlich?
Die Notenbank kann theoretisch beliebig viel Geld auf den Markt werfen, indem sie - bildlich gesprochen –-die Notenpresse anwirft. Für die Milliardensummen, die die EZB den Banken zur Verfügung stellt, werden jedoch keine Geldscheine gedruckt. Die Beträge werden auf den Konten der Geschäftsbanken gutgeschrieben, die bei der EZB geführt werden. Als Sicherheiten müssen die Institute Wertpapiere hinterlegen. Nach einer bestimmten Frist zahlen die Banken das geliehene Geld inklusive Zins zurück. Die EZB hat im Euro-Raum das Monopol über das Zentralbankgeld und kann unabhängig darüber entscheiden, wann sie wie viel dieses Geldes in Umlauf bringt.
Wohin fließen die Milliarden vor allem?
Bei der ersten Runde im Dezember griffen vor allem südeuropäische Banken zu. Die deutschen Institute hielten sich weitgehend zurück - aus Angst, dass ihr Ruf Schaden nehmen könnte und sie als wackelig dastehen könnten. Auch dieses Mal äußerten sich Manager deutscher Institute vorab zurückhaltend. "Wir machen dann mit, wenn es für uns ökonomisch sinnvoll ist“, sagte etwa Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann Anfang Februar. "Aber eines ist klar: Wir brauchen es nicht.“ Ähnlich äußerten sich die Chefs vom Commerzbank und dem Immobilienfinanzierer Aareal Bank.
+++ Banken leihen sich fast 500 Milliarden Euro +++
EZB-Präsident Mario Draghi warb – eine Woche nach Ackermanns Äußerung: „Diesem Angebot hängt kein Stigma an. Das muss jeder verstehen. Aussagen, wonach sich eine ernsthafte Bank dafür schämen müsse, bei diesem Geschäft mitzumachen, würde ich als Machogerede bezeichnen. Es ist eine reine Geschäftsentscheidung. Die aktuelle Krise im Finanzsystem geht auf die Staatsschuldenkrise zurück. Die Banken, die ihren Sitz zufällig in Ländern ohne Schuldenkrise haben, wo immer die geeigneten Reformen umgesetzt wurden, sollten ihren Regierungen dafür dankbar sein.“
Was will die EZB erreichen?
Generell leihen sich Geldinstitute auf dem Geldmarkt untereinander Geld (Interbankenmarkt) und zahlen dafür Zinsen – so wie ein Verbraucher bei einer Bank einen Kredit bekommt und diesen abträgt. Für die Geschäftsbanken ist es wichtig, dass sie über flüssige Mittel (Liquidität) verfügen, zum Beispiel für die Vergabe von Krediten an Unternehmen und Verbraucher.
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Im Zuge der diversen Krisen der vergangenen Jahre – Finanzkrise (2007/2008), Bankenkrise (2008/2009), Staatsschuldenkrise (seit 2010) sind die Institute untereinander extrem misstrauisch geworden und leihen sich nicht mehr im üblichen Maße gegenseitig Geld. Die Befürchtung ist, dass Banken weniger Kredite vergeben (können) und somit Investitionen von Unternehmen blockiert werden. Eine Kreditklemme will die EZB ebenso verhindern wie das Umfallen einzelner Banken, weil ihnen das Geld ausgeht.
Ist das Eingreifen der EZB erfolgreich?
Ja, meint nicht nur Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Die Geldflut der EZB sei der Hauptgrund dafür, dass sich die Märkte seit Mitte Dezember wieder beruhigt hätten und es an den Börsen wieder bergauf gehe, sagt Schmieding: „Das allerwichtigste Signal für die Märkte war, dass die EZB massiv eingegriffen hat.“ Seither können sich die klammen Staaten wieder günstiger finanzieren. Eine Alternative zu weiteren Aktionen der Währungshüter sieht Jens Schmidt-Bürgel, Deutschland-Chef der Ratingagentur Fitch, nicht: „Die EZB ist zurzeit die einzig glaubwürdige Waffe, die der Politik zur Verfügung steht.“
Welche Risiken geht die EZB mit dem Geschäft ein?
Das gigantische Verleihgeschäft birgt Inflationsrisiken. EZB-Chefökonom Peter Praet sagte der „Welt am Sonntag“: „Ziehen wir das Geld zu schnell ab, riskieren wir, dass das Bankensystem wieder in Gefahr gerät und nicht mehr genug Kredite vergeben werden, mit all den schlimmen Konsequenzen, die das für den Euro-Raum hätte. Sind wir zu langsam, könnte das Inflationsgefahren hervorrufen.“ Beides müsse unbedingt vermieden werden.“
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Zudem muss sich die Notenbank den Vorwurf gefallen lassen, noch näher an die Politik heranzurücken. Denn obwohl dies nicht das Ziel war, lädt das billige Dreijahresgeld die Banken dazu ein, Staatsanleihen zu kaufen, auch von Euro-Krisenländern. Damit werde die EZB durch die Hintertür zum Staatsfinanzierer, moniert DIW-Experte Ansgar Belke. Immerhin: Die Geldflut hat es der Notenbank erlaubt, ihr stark kritisiertes Anleihenkaufprogramm zurückzufahren.