Ohne die Hilfe der Euro-Staaten und des Internationale Währungsfonds (IWF) wäre Griechenland bankrott. Neben dem zweiten Rettungspaket in Milliardenhöhe verzichten die privaten Gläubiger, also Banken und Privatanleger, auf Geld, das sie Athen geliehen haben. Das müssen Sie über den geplanten Schuldenerlass wissen:

Brüssel. Griechenland wäre ohne die Hilfe der Euro-Staaten und des Internationalen Währungsfonds (IWF) bankrott. Aber nicht nur das Geld aus dem zweiten Rettungspaket soll Griechenland helfen, private Gläubiger, also Banken und Privatanleger, verzichten zudem auf Geld, das sie Athen geliehen haben. So sieht der geplante Schuldenerlass aus:

Wie stark sinken die Schulden Athens?

Banken, Versicherungen, Hedgefonds und Privatanleger besitzen griechische Staatsanleihen im Wert von gut 200 Milliarden Euro. Verzichten sie nun wie vereinbart auf mehr als die Hälfte ihres Geldes (53,5 Prozent), wird Griechenlands Schuldenlast um 107 Milliarden Euro leichter. Derzeit ist sie 350 Milliarden Euro schwer. Dieser freiwillige Forderungsverzicht wurde bereits auf dem EU-Gipfel im Oktober 2011 vereinbart – erst jetzt stehen die Details fest.

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Wie läuft der teilweise Schuldenerlass ab?

Die Gläubiger tauschen ihre alten griechischen Anleihen in neue Papiere. Das heißt, wer einen Euro investiert hat, bekommt dafür weniger als 50 Cent. Um ihnen den Verzicht zu versüßen (englisch: „sweeten“), sind Garantien für neue Anleihen der privaten Gläubiger geplant.

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Wie viele Anleihen bekommen die Gläubiger?

Für ihre alten Griechen-Papiere von 200 Milliarden Euro erhalten Banken und Versicherungen beispielsweise 30 Milliarden sichere EFSF-Anleihen plus 70 Milliarden Euro neue griechische Staatsanleihen mit langer Laufzeit und niedrigen Zinsen. Die Zinssätze beginnen bei 2 Prozent, steigen später auf 3 Prozent und erst nach 2020 auf 4,3 Prozent. Der Schuldenschnitt von 53,5 Prozent und der Tausch in geringer verzinsliche Anleihen bedeuten, dass Gläubiger insgesamt mehr als 70 Prozent verlieren.

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Was passiert, wenn nicht genug Gläubiger freiwillig mitmachen?

Dann müsste Athen den Verzicht erzwingen, was Turbulenzen und Komplikationen auslösen könnte. So müsste Athen ein Gesetz erlassen, wonach der Forderungsverzicht für alle Gläubiger – über eine nachträgliche Änderung der Anleihebedingungen – bindend ist. Es würden Umschuldungsklauseln, sogenannte Collective Action Clauses (CAC) eingeführt. Das träfe allerdings auch die Europäische Zentralbank (EZB), die mit Forderungen von geschätzten 50 Milliarden Euro der größte Einzelgläubiger Griechenlands ist.

Macht die EZB beim Schuldenschnitt mit?

Nein, weil eine Beteiligung als verbotene Staatsfinanzierung gelten würde. Um das zu verhindern, hat sie ihre griechischen Anleihen nach Angaben aus Notenbank-Kreisen vorsorglich in neue Anleihen umgetauscht. Diese sind bis auf die Kennnummer identisch und werden künftig vor einem erzwungenen Schuldenschnitt geschützt.

Warum war das zweite Hilfspaket für den Schuldenschnitt nötig?

Weil es 30 Milliarden Euro enthält, die Anreize („sweeteners“) für die neuen EFSF-Anleihen geben. Ohne sie würden Privatgläubiger wohl nicht freiwillig an dem Schuldenerlass mitmachen. Seit vergangener Woche ist eine Art Teilkaskoversicherung in Kraft, bei der der EFSF das Ausfallrisiko neuer Anleihen von Krisenländern zu 20 bis 30 Prozent übernimmt, wenn Athen die Anleihe nicht zurückzahlen kann. Zudem braucht Athen neue Kredite, weil ein solcher „Haircut“ Geld kostet, das Griechenland nicht hat. Da auch die griechischen Banken mit einem Schuldenverzicht viel Geld verlieren, benötigen sie frisches Kapital vom Staat.

Welche Zugeständnisse muss Athen machen?

Im Gegenzug für das internationale Hilfspaket verliert Griechenland einen Teil seiner Haushaltssouveränität und muss Kontrollen akzeptieren. So wird ein Sperrkonto eingerichtet, auf das Hilfsgelder fließen – die dann ausschließlich für die Rückzahlung von Zinsen benutzt werden dürfen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mahnt, Athen müsse Bedingungen erfüllen: „Das ist kein Selbstläufer.“

Wie sieht der weitere Zeitplan aus?

Nachdem die Euro-Finanzminister das zweite Hilfspaket von 130 Milliarden Euro gebilligt haben, kann das Angebot zum Schuldentausch in den nächsten Tagen beginnen. „Wir erwarten eine sehr hohe Beteiligung“, sagte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. Laut EU-Diplomaten soll dies bis zum 9. März abgeschlossen sein.

Kann der Schuldenschnitt als Vorbild gelten?

Nein. Die Euro-Länder haben die Beschlüsse zu Griechenland immer wieder als einmalige Ausnahme dargestellt. Bei der Rettung verzichtet man künftig faktisch auf die Beteiligung privater Gläubiger. Denn dies hatte auf den Märkten erhebliche Zweifel an der Solidität europäischer Anleihen ausgelöst – und potenzielle Anleger traten in einen Käuferstreik, der die Krise noch verschärfte.

Ist Griechenland nun gerettet?

Da sind Zweifel angebracht. Ökonomen gehen davon aus, dass Griechenland nicht ohne weitere Hilfe aus der Schuldenfalle herauskommen wird. „Der Plan, Griechenland im Euro radikal zu sanieren, ist illusionär“, sagte ifo-Chef Hans-Werner Sinn „Spiegel Online“. Viele Volkswirte rechnen damit, dass früher oder später ein noch größerer Schuldenschnitt nötig wird. Dann würden alle privaten und öffentlichen Geldgeber den Großteil ihres Geldes verlieren. (dpa/abendblatt.de)