Eine halbe Billion Euro lagern bei der Europäischen Zentralbank, die derzeit Alternativen zum Anleihenkaufprogramm prüft.
Frankfurt/Wien. Die Banken misstrauen sich weiterhin: Die sogenannte "Angst"-Kasse der Banken aus der Euro-Zone hat am Dienstag erstmals die Schwelle von 500 Milliarden Euro überschritten. Zuletzt hätten die Institute 501,93 Milliarden Euro über Nacht bei der Notenbank geparkt, teilte die Europäische Zentralbank (EZB) am Dienstag in Frankfurt mit. Am Montag hatten die eintägigen Einlagen bei 493,27 Milliarden Euro gelegen. Lange Zeit hatte der Höchststand 485 Milliarden Euro betragen. Er wurde im Juni 2010 erreicht. Diesen Rekord hatten die Einlagen bereits Anfang 2012 überschritten.
Zum Vergleich: Vor der ersten Finanzkrise im Jahr 2008 galt es schon als ungewöhnlich, wenn die Einlagen bei der EZB im einstelligen Milliardenbereich lagen. Sie gelten als Zeichen für das Misstrauen der Institute untereinander. Normalerweise greifen Banken kaum auf dieses sehr kurzfristige Geschäft zurück, da die Konditionen ungünstig sind. Der direkte Geldhandel zwischen den Banken funktioniert zurzeit aber nicht wie gewohnt. Grund ist das starke Engagement der Institute in Staatsanleihen angeschlagener Euro-Länder.
+++ "Angst"-Einlagen der Banken mit neuem Rekordwert +++
+++ Banken leihen sich fast 500 Milliarden Euro +++
Darüber hinaus ist die Liquidität im Bankensektor derzeit außergewöhnlich hoch. Ende 2011 hat die EZB mit einem Dreijahreskredit fast 500 Milliarden Euro in das Bankensystem gepumpt. Ein Teil dieses Geldes scheinen die Banken über Nacht bei der EZB zu halten.
Unterdessen sondiert die Notenbank nach den Aussagen ihres EZB-Ratsmitglieds Ewald Nowotny Alternativen zu ihrem milliardenschweren und umstrittenen Kaufprogramm für Staatsanleihen. „Wir sind dabei, mögliche Alternativen zu diskutieren. Diese Diskussion ist aber nicht so weit gediehen, dass man derzeit auf das SMP (Bond-Kaufprogramm) verzichten kann“, sagte Nowotny dem Onlinedienst Wall Street Journal Deutschland. „Das ist eine Diskussion, die das gesamte geldpolitische Spektrum umfasst“, betonte der österreichische Zentralbankchef. Nach Angaben Nowotnys gibt es quantitative Obergrenzen für Staatsanleihenkäufe der Zentralbanken der Eurozone. „Das muss ja schon rein praktisch so sein, weil es gewisse Handlungsanleitungen geben muss, in welchen Ausmaß Interventionen erfolgen können.“
Auf der Euromoney-Konferenz in Wien sagte Nowotny zudem, dass die EU und nicht die EZB bei der Lösung der Griechenland-Krise in der Pflicht stehe. Griechenland sei ein Problem für die griechische und die europäischen Regierungen, nicht primär für die europäische Notenbank, sagte er. Eine Diskussion über Eurobonds mache nur dann Sinn, wenn zuvor eine Diskussion über mehr finanziellen Zusammenhalt in Europa geführt werde, sagte er.
Nowotny senkte außderm die Hoffnungen auf eine baldige Zinssenkung. „Wir legen uns zwar niemals vorab fest, aber im Moment gibt es keine konkreten Pläne“, sagte Nowotny. Er betonte, die EZB habe den Schlüsselzins erst Ende vorigen Jahres in zwei Schritten auf den historischen Tiefstand von 1,0 Prozent gesenkt.
Dennoch verteidigte Nowotny die Anleihenkäufe der EZB. „Dass man irgendwelche Interventionen braucht, ist weithin anerkannt“, sagte er. Doch im EZB-Rat halte sich Skepsis gegenüber den Bondkäufen, „weil wir die Befürchtung haben, dass die Marktunvollkommenheiten, die wir damit beheben wollen, möglicherweise an anderer Stelle wieder auftreten“.
Die EZB verstärkte ihre Staatsanleihenkäufe in der vorigen Woche. Sie erwarb Papiere im Wert von 3,766 Milliarden Euro am Markt, nach 1,1 Milliarden Euro in der Woche zuvor. Seit Mai 2010 hat die Zentralbank damit Bonds von schuldengeplagten Eurostaaten wie Italien und Spanien im Gesamtwert von 217 Milliarden Euro aufgekauft. Die Käufe sind vor allem in Deutschland höchst umstritten, da Kritiker die Grenze zwischen Geld- und Fiskalpolitik verwischt sehen. (dpa/Reuters/abendblatt.de)