Einst produzierten die Deutschen die ersten Containerfrachter. Heute sind Chinesen und Koreaner in der Produktion weltweit führend.
Hamburg. Kurz nach Weihnachten 1884: Im Hotel Streits in Hamburg, dem heutigen Kino, treffen sich acht führende Herren von deutschen Werften. Mit der Gründung des Schiffbauverbandes schreiben sie an diesem 29. Dezember Geschichte, können rasch vier weitere Firmen aufnehmen und kommen am 23. Februar 1885, heute vor 125 Jahren, zu ihrer ersten Sitzung zusammen. Grund für den Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), mit mehr als 200 Gästen bei einem Senatsempfang zu feiern.
Das Jubiläum jedoch fällt in eine denkbar schwierige Phase. Mit der Wirtschaftskrise kommen so gut wie keine Aufträge mehr für die deutschen Werften herein. Gerade zwölf waren es 2009 bis Ende September, verglichen mit durchschnittlich 40 in den Jahren zuvor. Sechs Werften sind in Insolvenz, viele arbeiten kurz und seit Mitte 2008 wurden 60 Aufträge storniert - 23 Prozent des Auftragsbestandes von 2009.
Es ist zwar noch nicht die schlechteste Phase in der Geschichte. Allein infolge der Weltwirtschaftskrise 1929 sank die Beschäftigung bis 1932 drastisch auf 9379, nachdem 1922 noch 89 200 Menschen im Schiffbau Arbeit gefunden hatten. Jetzt geht es darum, ob und welche Zukunft die Werften haben. "Schiffbau wird es weiter geben. Doch die Größenordnung ist offen", sagt Werner Lundt, der VSM-Hauptgeschäftsführer. "Uns ist noch immer etwas eingefallen."
Tatsächlich hat zwar der US-Spediteur und Bauernsohn Malcom McLean den Container erfunden, der den weltweiten Transport revolutionierte. Doch die ersten nur auf die Boxen ausgerichteten Schiffe stammen aus Deutschland, wo in den 60er-Jahren mehr als jeder zweite Containerfrachter entstand. Auch die ersten Riesen, die mit mehr als 32,2 Meter Breite zu groß für den Panamakanal waren, kamen von HDW aus Kiel.
Doch diese Erfolge zählen schon lange nicht mehr. Mit einer staatlich gestützten Schiffbaupolitik erobern die Japaner Ende der 1960er-Jahre die Weltspitze. Als die Zahl der Container in die Millionen geht, kommt die Stunde der Koreaner. Mit der Serienfertigung werden Daewoo, Hyundai und Samsung unschlagbar. Heute entstehen dort Riesen mit mehr als 10 000 Plätzen für Standardcontainer (TEU). "Die deutschen Betriebe konnten nicht mithalten. Weder beim Bau der hohen Zahl von Frachtern noch bei den Preisen", sagt Lundt. Spiegelbild der Entwicklung der Branche ist die Zahl der Beschäftigten. Beispiel Hamburg: 1962 gab es 17 Werften in der Stadt, heute sind es noch sieben, davon mit Sietas und Blohm + Voss nur noch zwei größere. Seit 1976, als bundesweit noch 73 948 Menschen Schiffe bauten, hat die Zahl der Beschäftigten allenfalls einmal kurzzeitig leicht zugenommen. Sonst ging es bergab. Zuletzt von 24 000 im Dezember 2008 auf noch 20 368. Allein in Ostdeutschland sind von 25 000 zu DDR-Zeiten noch 4000 übrig.
Die bislang letzte Atempause gab es während des Booms von 2005 und 2008. Weil Reeder und Emissionshäuser auf immer größere Warenströme infolge der Globalisierung setzten, wurden nicht nur die Auftragsbücher in Asien, sondern auch die deutschen voll. Das sicherte die Jobs.
Es war wohl die letzte Blüte des deutschen Containerschiffbaus. Heute stehen Werften, die auf neue Typen umgestellt haben, am besten da. Die Flensburger Schiffbau Gesellschaft ist Weltmarktführer für Roll-on-roll-off-Fähren, die Bremer Lürssen Werft erfolgreich im Yachtbau, und die Kreuzfahrer der Meyer Werft sind weltweit ein Begriff.
Zudem verspricht die Suche nach Nischen Erfolg. Schiffe für den Bau und die Versorgung von Windparks auf See sind gesucht. Der Bau der Unterwasserkonstruktionen der Windräder kommt ebenfalls infrage - die Nordseewerke in Emden steuern nach dem Verkauf durch ThyssenKrupp darauf zu. Klar ist aber auch, dass die Chinesen nun an die Weltspitze wollen. Die Konkurrenz wird erneut härter.