Die Regenerative Energiebranche steht vor internationalem Boom. Das dänische Unternehmen Vestas sucht derzeit 30 Spezialisten für ihre Hamburger Niederlassung.

Hamburg. Bis vor Kurzem hat er seine Kunden noch am Flughafen getroffen, oder in Konferenzräumen in Hamburger Hotels. Doch jetzt hat Hans Jørn Rieks, Geschäftsführer von Vestas Central Europe, Nägel mit Köpfen gemacht. Der weltweit größte Windkraftanlagenhersteller hat in Eppendorf knapp 3000 Quadratmeter Fläche angemietet und seine Geschäftseinheit Zentraleuropa in der Hansestadt angesiedelt. 40 Mitarbeiter sind bereits in den neuen Räumen beschäftigt. In den kommenden zweieinhalb Jahren sollen es 170 werden.

"In unserer Branche kommt man an Hamburg kaum vorbei", sagt Rieks im Gespräch mit dem Abendblatt. Mit Flughafen, Hafen und der Nähe zur Autobahn sei die Infrastruktur einfach besser als in Husum, wo die 320 Mitarbeiter in der Deutschland-Zentrale des Unternehmens arbeiten.

Die sollen dort auch bleiben, doch die Beneluxländer und Osteuropa (mit Ausnahme des Baltikums und Polen) sowie die Ukraine und Russland werden nun von Hamburg aus bedient. Die Kunden könnten die Niederlassung in der Stadt besser erreichen als das Unternehmen in Schleswig-Holstein. Zudem sei es in Hamburg einfacher, qualifiziertes Personal wie Ingenieure, Marketingfinanz- oder Personalfachleute zu bekommen. "Experten, die wir in ganz Deutschland oder auch im Ausland suchen, kommen lieber in die Großstadt Hamburg mit der Internationalen Schule und dem breiten Freizeitangebot", hat Rieks festgestellt. Derzeit sucht Vestas weitere 30 Mitarbeiter aus den oben genannten Bereichen für seine neue Hamburger Niederlassung.

Auch bei der Anwerbung von Hochschulabsolventen sieht er mit dem zukünftigen Hamburger Cluster für Erneuerbare Energien, einem Netzwerk für die Firmen der Branche in der Stadt, gute Chancen. "Vestas hat in den vergangenen vier Jahren seine Mitarbeiterzahl von 8000 auf knapp 22 000 erhöht. Wenn wir in diesem Tempo weiter wachsen, brauchen wir in den kommenden drei Jahren 500 neue Manager", begründet Rieks die Anstrengungen des Unternehmens, Jungakademiker für sich zu begeistern. Tatsächlich stehen der Windbranche trotz der derzeitigen Finanzmarktkrise rosige Zeiten bevor. In Europa soll laut EU der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Energieerzeugungskapazität bis 2020 auf 20 Prozent steigen. Heute sind es rund zehn Prozent. Da der Verkehr wohl noch einige Jahre vorwiegend durch fossile Energieträger wie Benzin und Diesel angetrieben werden muss, gehen Experten sogar davon aus, dass 30 Prozent des Stroms in Europa bis 2020 aus erneuerbaren Energien kommen muss, um das ehrgeizige Gesamtziel der EU zu erreichen.

Weitere Perspektiven sieht Rieks in den USA, deren Präsident Barack Obama sich zum Ausbau der erneuerbaren Energien bekannt hat. Während sich das Wachstum in Deutschland, dem bislang weltweit größten Markt für Windenergie, durch das Einspeisegesetz für erneuerbare Energien weiterhin positiv entwickelt, sei das Potenzial auf dem amerikanischen Kontinent gigantisch. Und daran will Vestas teilhaben, genauso wie an dem Windboom in Asien. Mit einem Umsatz von 6,035 Milliarden Euro sind die Dänen weltweit Marktführer. Das Unternehmen stellt fast alles selbst her - die Rotoren, die Motoren und auch die hohen Türme der Windräder. Nur das Getriebe wird zugeliefert.

"Für Hamburg ist die Ansiedlung von Vestas ein großer Erfolg", sagt Heinrich Lieser, Chef der Hamburgischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (HWF) dem Abendblatt. Doch die Dänen sind nicht die einzigen, die die Hansestadt als Standort für Windenergie auserkoren haben. So hat jüngst Siemens seine Europazentrale für diesen Geschäftszweig nach Hamburg verlagert, der Stromkonzern RWE betreibt sein Geschäft mit Windenergie von der City Nord aus und der weltweit führende Dienstleister rund um die regenerative Energie, GES Deutschland, hat seine Zentrale mit rund 50 Mitarbeitern von Oldenburg nach Hamburg verlagert. Anbieter wie der Vestas-Konkurrent Repower und die Hamburger Ökostromanbieter LichtBlick und Greenpeace sind ebenso auf kohle- und atomfreie Energie spezialisiert wie der gerade gegründete städtische Stromanbieter Hamburg Energie.

Laut einer Studie des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) wird sich - auch wegen der Attraktivität der Hamburger Metropolregion - die Zahl der Beschäftigten in der Windenergie in Hamburg und Schleswig-Holstein von 10 000 Personen im Jahr 2007 auf rund 15 000 Personen im Jahr 2020 erhöhen.

Doch nicht nur im Bereich Wind ist die Branche in Hamburg stark vertreten. Der Mineralölkonzern BP hat mit BP Solar seinen Vertrieb von Photovoltaikmodulen in der Stadt, Firmen wie Conergy oder SunEnergy arbeiten von Hamburg aus. Rund 30 Unternehmen aus der regenerativen Energie betreiben laut HWF zudem Forschung in der Stadt - in eigenen Einrichtungen oder zusammen mit Hochschulen. Neben der Wind- und der Solarbranche sind in den vergangenen Jahren im Hamburger Umland zahlreiche Biogasanlagen entstanden. Ein Beispiel ist das Biomassekraftwerk NovusEnergy in Brunsbüttel. Die norddeutsche Metropolregion wird immer mehr zum Zentrum für erneuerbare Energien.