Der Politiker zu den Aussichten auf dem Arbeitsmarkt, dem Konjunkturprogramm und der Ausgabe von Steuerschecks.

Hamburg. Abendblatt:

Herr Senator Gedaschko, die Welt befindet sich inmitten einer Finanzmarktkrise. Inwieweit sind die Hamburger Firmen und ihre Mitarbeiter davon betroffen?

Axel Gedaschko:

Hamburg steht im Vergleich mit anderen Metropolen noch gut da. Die Stadt ist schon seit Jahren eine Gewinnerin der Globalisierung. Die Auftragsbücher, nicht nur im Außenhandel, sondern auch im gewerblichen Bau, sind gut gefüllt. Was kommen wird, wenn diese Aufträge abgearbeitet sind, kann allerdings noch keiner sagen. Die Stadt muss mit Sorge dafür tragen, dass für das örtliche Handwerk Anschlussaufträge vorhanden sind.



Abendblatt:

Um gegenzusteuern hat die Stadt ein Konjunkturprogramm über 250 Millionen Euro aufgelegt, unter anderem um in die Infrastruktur und die Gebäudesanierung zu investieren. Welche Maßnahmen davon sind tatsächlich neu aufgelegt worden?

Gedaschko:

Alle. Wir ziehen geplante Investitionen etwa zwei bis drei Jahre vor. Die Aufträge schreiben wir bewusst in kleinen Paketen aus, damit sich auch Hamburger Mittelständler und Handwerker daran beteiligen können und nicht nur Großkonzerne. Wir dürfen den Kopf jetzt nicht in den Sand stecken. Deshalb freue ich mich, dass unser geplantes Konjunkturprogramm von allen Parteien in der Bürgerschaft mitgetragen wird.



Abendblatt:

Welche Branchen in der Stadt leiden schon jetzt besonders unter der Krise?

Gedaschko:

In allen Bereichen, die mit der Schifffahrt zu tun haben, geht es derzeit hoch her. Die Branche plant in den kommenden Jahren mit deutlich höheren Kapazitäten. Jetzt, in schwierigen Zeiten, gehen aber die Neubauaufträge zurück. Darunter leiden Emissionshäuser, die die Schiffe finanzieren, Werften und Schiffbauzulieferer. Was wenige wissen: in einem Neubau, der zum Beispiel in Südkorea gebaut wird, steckt bis zu 70 Prozent deutsche Technik. Nicht nur Hamburger Betriebe sind betroffen, die Zulieferer sitzen in ganz Deutschland. Um die Auslastung der Werften zu halten, müsste die Branche die vorhandenen Anträge von jetzt zwei auf rund sechs Jahre strecken. Betroffen von der Krise sind auch Medien und Werbeagenturen, da Anzeigen und Werbeetats rückläufig sind. Gut laufen unter anderem der Außenhandel und der Gewerbebau, wo es im dritten Quartal ein Auftragsplus von 60 Prozent gab. Auch die Gesundheitswirtschaft spürt die Krise noch nicht so sehr.



Abendblatt:

Wie wird sich der Hamburger Arbeitsmarkt 2009 entwickeln?

Gedaschko:

Die beiden Schätzungen sind ja bekannt. Danach wird die Zahl der Arbeitslosen im Jahresmittel entweder um 10 000 oder um 20 000 zunehmen.



Abendblatt:

Ist das nicht zu niedrig gegriffen?

Gedaschko:

Das wird man sehen. Aber bei allen Schätzungen muss mit einfließen, dass der Arbeitsmarkt heutzutage nicht mehr so starr ist. Zwischen den beiden Alternativen Beschäftigung oder Entlassung gibt es eine breite Spanne. So wurde das Kurzarbeitergeld auf 18 Monate verlängert, um Entlassungen zu vermeiden. Zudem haben viele Unternehmen Arbeitszeitkonten eingeführt, auch damit die Mitarbeiter in schlechten Zeiten Überstunden abbauen können. Oder die Beschäftigten bauen Urlaub ab, wie wir das jetzt in der Automobilindustrie sehen.



Abendblatt:

Wie sieht es mit der finanziellen Ausstattung der Hamburger Wirtschaft aus? Gibt es eine Kreditklemme?

Gedaschko:

In Hamburg ist mir kein Fall bekannt, bei dem die Banken einem wirtschaftlich gesunden Unternehmen einen Kredit verweigerten. Allerdings werden höhere Zinsen verlangt, was die Wirtschaft belastet. Ich bin aber zuversichtlich, dass die jüngste Zinssenkung der Europäischen Zentralbank Wirkung zeigen wird. Die Herstellung des Liquiditätsflusses ist das wichtigste. Hier wird auch das Rettungspaket des Bundes greifen. In Hamburg haben wir im Rahmen unseres Konjunkturprogramms 400 Millionen Euro über vier Jahre verteilt als Bürgschafts- und Beteiligungskapital aufgelegt. Bisher wurden 70 Millionen Euro abgerufen. Es ist also noch genug da, Not leidende Firmen können sich an uns wenden.



Abendblatt:

Wie lange wird die Krise noch anhalten?

Gedaschko:

Genau kann dies keiner sagen. Es gibt aber Expertenschätzungen, die erst Ende 2009, Anfang 2010 ein Ende der Talfahrt sehen. Nach ihren Prognosen wird sich die Konjunktur ein Jahr lang seitwärts entwickeln, und danach wird es wieder aufwärts gehen.



Abendblatt:

Manche Experten vergleichen die Krise mit der von 1929. Damals dauerte die Depression viele Jahre an.

Gedaschko:

Die Voraussetzungen von damals und heute sind nicht miteinander vergleichbar. Rettungspakete können heute weltweit koordiniert werden, zudem fließt im Gegensatz zu 1929 noch Geld in den Konsum. Mit den Rentnern etwa ist eine ganze Bevölkerungsgruppe von der Krise nicht betroffen, denn die Renten werden weiter überwiesen.



Abendblatt:

Stichwort Konsum: Was halten Sie von Steuerschecks oder Steuersenkungen für die Bürger?

Gedaschko:

Das ist der falsche Weg, weil dies über eine weitere Verschuldung finanziert wird. Wenn mit dem Konsumgutschein etwa ein neuer Farbfernseher aus Südkorea finanziert wird, kann man von keinem nachhaltigen Effekt sprechen.