Täglich Anfragen bei der Arbeitsagentur. Zahl der Kurzarbeiter liegt bei 795 und wird deutlich steigen.

Hoisdorf. "Ich habe so etwas noch nicht erlebt", sagt Oliver Bruss - und meint damit den Auftragseinbruch, den seine Firma, den Hoisdorfer Dichtungshersteller Bruss, in die Kurzarbeit zwingt. 550 Beschäftigte hat der Automobilzulieferer in Hoisdorf, fast jeder ist in unterschiedlichem Maße von den Einschränkungen betroffen. "Es wird nahezu täglich neu festgelegt, wo gearbeitet wird und wo nicht", sagt Firmenchef Bruss (39). "Wenn Daimler nichts bestellt, steht eben die ganze Mercedes-Linie bei uns still. Wenn die im Januar in die Kurzarbeit gehen, schlägt das bei uns 1:1 durch."

Seit Mitte November geht das bei nun schon so, und ein Ende ist nicht abzusehen. Demnächst ruht der Betrieb ganz. Über Weihnachten schließt Bruss das Werk für zwei Wochen. "Früher haben wir sogar in der Zeit zwischen Weihnachten und Silvester gearbeitet, um Produktionsrückstände abzubauen", sagt er.

Einer, der es zuerst erfährt, wenn der gewaltige Mechanismus der Wirtschaft knirschend zum Stillstand zu kommen droht, ist Rainer Muhl. In der Oldesloer Agentur für Arbeit ist er fürs Kurzarbeitergeld zuständig. Sein Terminkalender ist voll. "Ich führe Tag für Tag zwei bis drei Gespräche mit Firmenchefs, die zu mir kommen und wissen wollen, wie das funktioniert mit der Kurzarbeit", sagt Muhl. "Viele von ihnen kennen dieses Arbeitsmarktinstrument gar nicht. Das sind Erstberatungen, die Unternehmer kommen zum ersten Mal in ihrem Leben mit dem Thema Kurzarbeit in Berührung."

Eine aktuelle Zahl könne er nicht nennen, aber Ende der ersten Dezemberwoche seien in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg 72 Betriebe mit 795 Arbeitnehmern in Kurzarbeit gewesen. Und: "Die Zahl hat seither deutlich zugenommen." Auch größere Firmen seien unter denen, die ihre Beschäftigten pausieren lassen wollten. "Viele Unternehmen werden vermutlich im Januar in Kurzarbeit gehen." Nach Informationen der Abendblatt-Wirtschaftsredaktion könnte auch der Glinder Bremsbelägehersteller Honeywell dazugehören.

Und wie lange dauert die Krise? Oliver Bruss kann da nur spekulieren. "Experten sagen, dass es nach den letzten großen Wirtschaftskrisen bis zu drei Jahren gedauert hat, bis man wieder auf dem alten Niveau war." Das wäre eine ziemlich lange Durststrecke. Kann Bruss das durchstehen? "Man braucht eine blitzsaubere Bilanz und eine gute Kapitalquote, dann kann man es schaffen", sagt der Firmenchef. "Wir haben beides." Sein Ziel: "Wir wollen gestärkt aus der Krise herauskommen."