Experten sagten bis zu 10 000 Punkte voraus - doch es kam anders. Zahlen für 2009 gibt es nun seltener.

Hamburg. Dass Prognosen schwierig sind, besonders wenn sie die Zukunft betreffen, ist ein gern und häufig zitierter Gemeinplatz. Im Hinblick auf Börsenprognosen aber bestätigte sich dieser Satz wohl niemals zuvor so wie im ablaufenden Jahr 2008: Kaum ein Analyst tippte vor zwölf Monaten darauf, dass der Deutsche Aktienindex (DAX) zum Jahresende 2008 bei weniger als 8000 Punkten - dem damals aktuellen Stand - notieren könnte.

Nach fünf guten Börsenjahren seit 2003 glaubte praktisch niemand an eine Trendwende, zumal der DAX in den Jahren 2005, 2006 und 2007 die Vorhersagen der Experten stets um 1000 Punkte und mehr übertroffen hatte. Dass sich die schon damals unübersehbare US-Hypothekenkrise zu einer weltweiten Finanzmarktkrise auswachsen würde, erwartete keiner der Chefanalysten.

Allerdings war die Spanne der Prognosen im November/Dezember 2007 erheblich breiter als üblich. Ausgerechnet die US-Investmentbank Morgan Stanley zeigte sich besonders pessimistisch und veranschlagte den DAX per Jahresultimo 2008 auf nur 7700 Zähler. Sollte es nicht zu einer kräftigen Jahresendrallye kommen, läge diese Schätzung um immerhin fast 3000 Punkte zu hoch.

Das andere Extrem markiert die Schätzung der Düsseldorfer WGZ Bank, die dem DAX gar 10 250 Punkte zutraute. "Wir sind nicht davon ausgegangen, dass der Finanzsektor derart unter die Räder kommt und wir auf eine Rezession zusteuern", räumt Aktienstratege Dietmar Wiggermann im Gespräch mit dem Abendblatt ein. "Es war eine Wette, und die haben wir verloren." In die damalige Prognose sei eine Schätzung der Gewinne der DAX-Konzerne eingegangen sowie das als realistisch angenommene langfristige Kurs-Gewinn-Verhältnis und schließlich ein Vergleich mit den Renditen am Anleihemarkt. Dies alles wurde für drei verschiedene Konjunktur-Szenarien durchgerechnet. Man entschied sich für das mittlere. Selbst unter ungünstigsten Rahmenbedingungen hätte sich noch eine DAX-Prognose von 5900 Punkten ergeben.

Auch bei der Commerzbank, die auf einen DAX per Jahresultimo 2008 von 9100 Zählern getippt hatte, verweist man darauf, dass im Dezember 2007 niemand einen derart dramatischen Absturz der Kapitalmärkte vorhergesehen hat: "Das war damals eine andere Welt. Die Insolvenz von Lehman Brothers hatte niemand auf der Rechnung."

Dieses Ereignis markiert auch für Rolf Hunck, Mitglied der Geschäftsleitung der Deutschen Bank in Hamburg, einen Wendepunkt. "Ohne die damit verbundene Vertrauenskrise wäre vieles anders gelaufen", ist Hunck überzeugt. "Die Probleme mit faulen US-Immobilienkrediten habe ich für beherrschbar gehalten", sagt er heute. Den DAX veranschlagte er auf Zwölf-Monatssicht damals auf 8200 bis 8600 Punkte. "Eine stabile Weltkonjunktur wird auch den USA über die Krise hinweghelfen", glaubte er. Einen solchen Rückblick hätte sich Hunck vor einem Jahr jedenfalls nicht träumen lassen: "Es war das härteste Jahr meiner 46-jährigen Bankkarriere."

Doch auch jetzt lässt er sich nicht entmutigen: "Aktien sind jetzt so attraktiv, dass es lohnt, sukzessive in den nächsten fünf Monaten Positionen aufzubauen", rät er risikobewussten Anlegern. "Wir tun das jedenfalls für unsere Kunden."

Dennoch will Hunck weitere Rückschläge nicht ausschließen. Frühestens im zweiten Halbjahr rechnet er mit einer Stabilisierung der Konjunktur in den USA und Europa. Die Börsen nähmen diese Entwicklung aber vorweg. Wer nicht auf Aktien setzen wolle, der könne mit Unternehmensanleihen Renditen von fünf bis zehn Prozent erzielen: "Das Risiko bonitätsstarker Unternehmen ist überschaubar."

Was aber konkrete DAX-Prognosen für 2009 angeht, sind auch andere Aktienexperten wesentlich zurückhaltender geworden. Vielleicht gibt es ihnen zu denken, dass eine andere Zunft zuletzt treffsicherer war als sie: Die Zeitschrift "Euro am Sonntag" bat zum Jahreswechsel 2007/2008 auch drei Astrologen um eine Vorhersage. Immerhin zwei der drei Sternendeuter sahen ein schlechtes Börsenjahr voraus.