Die Aussichten für die Weltwirtschaft verdüstern sich. Trotz milliardenschwerer Rettungspakete für die Finanzwirtschaft befinden sich die...

Hamburg. Die Aussichten für die Weltwirtschaft verdüstern sich. Trotz milliardenschwerer Rettungspakete für die Finanzwirtschaft befinden sich die internationalen Börsen weiter auf Achterbahnfahrt - und schlossen gestern erneut deutlich im Minus. Damit nicht genug: Nach einer Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) katapultiert die Finanzmarktkrise die globale Wirtschaft 2009 voraussichtlich erstmals seit sechs Jahrzehnten wieder in eine Rezession. Weltweit wird nur noch ein Wachstum von 2,2 Prozent erwartet. Der IWF bezeichnet ein weltweites Wachstum unter drei Prozent als Rezession.

Um einen Konjunktureinbruch zu verhindern, senkten gestern mehrere Notenbanken in Europa ihre Leitzinsen: Die Europäische Zentralbank (EZB) reduzierte ihren Leitzins um 0,5 Punkte auf 3,25 Prozent, die Bank of England um 1,5 Punkte auf 3,0 Prozent, die Schweizer Nationalbank um 0,5 Punkte auf 3,25 Prozent, die dänische Zentralbank um 0,5 Punkte auf fünf Prozent. Die EZB hatte sogar eine noch stärkere Senkung um 0,75 Prozentpunkte in Betracht gezogen. Die Notenbanken folgten mit ihren Zinsschritten dem Beispiel der US-Notenbank Fed, die ihren Leitzins Ende Oktober drastisch auf nur noch 1,0 Prozent reduziert hatte.

Ziel der Notenbanker ist es, durch niedrige Leitzinsen Kredite zu verbilligen und damit sowohl Unternehmen zu mehr Investitionen als auch Verbraucher zu mehr Konsum zu animieren. Dies soll die Konjunktur wieder in Schwung bringen. Schon heute rechnen Experten damit, dass die Zinsen weiter gesenkt werden.

Der Konjunkturchef des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI), Michael Bräuninger, bezeichnete die Zinssenkung als "richtigen und wichtigen Schritt". Der Volkswirt verspricht sich davon ein Anziehen der Investitionen, sowie eine weitere Abwertung des Euro. "Die reale Wirtschaft in Europa ist mittlerweile genauso von der Finanzmarktkrise betroffen wie in den USA. Die Gefahr einer Weltrezession ist groß", sagte Bräuninger dem Abendblatt. Jetzt müssten verschiedene expansive Maßnahmen getroffen werden, wozu sowohl Zinssenkungen als auch Konjunkturprogramme gehörten. Allerdings sei fraglich, wie schnell die Zinssenkung wirke und tatsächlich zu einem Anziehen der Investitionen führe. "Wir erwarten noch zum Jahresende eine weitere Zinssenkung der EZB. In welcher Höhe hängt davon ab, wie die jetzt beschlossenen Maßnahmen wirken."

Eine weitere Zinssenkung könnte auch den Kursverfall des Euro gegenüber dem Dollar beschleunigen. Diese Entwicklung bezeichnete Bräuninger für die deutsche Wirtschaft jedoch sogar als "eher wünschenswert", da er die Exporte attraktiver mache. "Von einem schwachen Euro sind wir trotzdem noch weit entfernt", so Bräuninger. Ein so niedriges Zinsniveau von 1,0 Prozent wie in den USA sieht der HWWI-Konjunkturchef für die Euro-Länder allerdings noch lange nicht.

Die Industriestaaten werden laut IWF besonders unter dem internationalen Absatzeinbruch leiden. Auch Deutschland bleibt nicht verschont. Im Gegenteil: Für die Bundesrepublik, die als größte Exportnation von dem Nachfragerückgang besonders gebeutelt werden könnte, erwartet der IWF sogar ein Minuswachstum von 0,8 Prozent. Damit wäre die Bundesrepublik noch schlimmer gebeutelt als die Euro-Länder, für die ein Minus von 0,5 Prozent erwartet wird. Mit einer Erholung sei erst Ende 2009 zu rechnen.

Erste deutliche Folgen spürt derzeit die deutsche Industrie, berichtet das Wirtschaftsministerium: Ihre Aufträge brachen im September überraschend stark um acht Prozent im Vergleich zum Vormonat ein. Deutschlands größte Stahlkonzerne ThyssenKrupp und Salzgitter reagierten bereits: Sie werden ihre Stahlverarbeitung angesichts der rückläufigen Nachfrage drosseln.