Hamburg. Abendblatt:

Opel möchte eine Bürgschaft von der Bundesregierung. Ist diese Hilfe zu vertreten?

Thomas Straubhaar:

Nein. Weil sich diese Hilfe nicht auf Opel als eine Einzelmaßnahme beschränken lässt. Es werden weitere Forderungen anderer Unternehmen kommen. So hätte man zwar Opel geholfen, aber anderen nicht. Das wäre eine Markt- und Wettbewerbsverzerrung zugunsten einer einzelnen Firma.



Abendblatt:

Das heißt in der Konsequenz: Opel schlittert in die Pleite, Tausende verlieren ihren Job?

Straubhaar:

Ja, aber davon ist Opel ja hoffentlich weit entfernt. Wenn sich ein Unternehmen auf der schiefen Ebene befindet, kann es auch nicht durch den Staat nachhaltig gerettet werden.



Abendblatt:

Aber gerade Opel sehen viele auf gutem Kurs. Das Unternehmen sei vor allem durch seine Konzernmutter General Motors in Probleme geraten.

Straubhaar:

Dann ist der Eingriff noch unglaubwürdiger. So wird ein hierzulande offenbar gesundes Unternehmen mit Steuergeldern subventioniert. Zugleich ist zu befürchten, dass das Geld in die USA fließt und dem Mutterkonzern General Motors zu gute kommt. Es darf aber nicht sein, dass der deutsche Steuerzahler für die Fehlentscheidungen eines US-Konzerns bezahlen soll.



Abendblatt:

Es wird schon über einen Rettungsschirm für die ganze Autobranche gesprochen.

Straubhaar:

Auch für Branchen halte ich solche Hilfen für falsch. Das wäre ein Rückschritt in staatswirtschaftliche Verhaltensweisen, die weder finanziell verkraftbar noch ökonomisch sinnvoll wären.



Abendblatt:

Was wäre denn aus Ihrer Sicht vertretbar?

Straubhaar:

Ich halte eine europaweit einheitliche fiskalpolitische Initiative für sinnvoll. Jedes Land sollte zum Beispiel ein Prozent seines Bruttoinlandprodukts für Maßnahmen zur Verfügung stellen. In Deutschland wäre dies ein Betrag von etwa 25 Milliarden Euro - von denen bereits 12 Milliarden Euro für das Konjunkturpaket verplant sind. Für Deutschland würde ich konkret Steuersenkungen, Abgabenrückerstattungen sowie die Aussetzung des Solidaritätszuschlags vorschlagen. Das Geld soll bei jedem im Portemonnaie ankommen. Dann können die Bürger selbst entscheiden, wo sie das Geld ausgeben wollen - ob sie davon Autos, Lebensmittel oder Möbel kaufen.



Abendblatt:

Worauf sollte geachtet werden, wenn Opel dennoch eine Bürgschaft erhält?

Straubhaar:

Für die Bürgschaft sollte Opel eine Gebühr von 8 bis 10 Prozent des Betrages im Jahr zahlen. Außerdem muss sicher sein, dass das Geld in Deutschland bleibt. Auch sollte die Zusage an eine Beschäftigungssicherung gekoppelt werden.

Abendblatt:

Wir stecken in einer tiefen Finanzkrise. Stehen wir eher am Anfang oder am Ende?

Straubhaar:

Das lässt sich seriös nicht mehr sagen. Als Außenstehender musste auch ich in der Krise lernen, dass man immer nur Teilinformationen erhält. Auf dieser Basis lässt sich keine Prognose entwickeln. Allerdings sehe ich weiterhin keinen Grund für Panik. Bisher kam kein Sparer in Deutschland zu Schaden - und ich sehe auch nicht, dass sich dies ändert. Die Deutschen sind ein Volk von Aktienmuffeln. Dies zahlt sich jetzt insofern aus, dass bisher nur wenige viel Geld an der Börse verloren haben.



Abendblatt:

Bringt die Krise auch Positives?



Straubhaar:

Aus jeder Krise geht eine Gesellschaft mit neuen Erkenntnissen heraus. Krisen gehören zum Fortschritt. Auch diese wird nicht die letzte Krise sein. Ebenso wird die Marktwirtschaft nicht untergehen. Keine andere Wirtschaftsform war über eine so lange Zeit so erfolgreich wie die Marktwirtschaft, die auf individuelle, selbstverantwortliche und mündige Bürger gesetzt hat.