Frist bis Ende des Monats für die Erstattung. Kein Nachfolger für Vorstandschef Bräunig in Sicht.

Hamburg. Der Vorgang liegt schon einige Monate zurück, doch erst jetzt kommt die Nachricht an die Öffentlichkeit. Rund drei Millionen Euro Tantiemen für das Geschäftsjahr 2006/2007 sollen mehrere ehemalige Vorstände der wirtschaftlich schwer angeschlagenen Mittelstandsbank IKB zurückzahlen. So hat es der Aufsichtsrat im Februar beschlossen, und so steht es im Geschäftsbericht, im Unterkapitel "Vergütungsbericht" auf Seite 99 des 228-seitigen Dokuments.

Der Fall löst trotz dieser Verzögerung öffentliche Empörung aus, und das hat mindestens zwei Gründe. Zum einen ist die Rechnung gegenüber vier ehemaligen Vorstandsmitgliedern nach wie vor offen, vor allem gegen den früheren Vorstandsvorsitzenden Stefan Ortseifen. Allein von ihm will die IKB 805 000 Euro zurück. Gezahlt hat bislang lediglich Claus Momburg, der noch immer zum Führungsgremium der Bank gehört. Er überwies seinem Arbeitgeber 558 000 Euro an Sonderzahlungen. Für zwei der Ex-Vorstände hat die Bank eine Zahlungsfrist bis zum 31. Oktober gesetzt. Gegen Ortseifen klagte die IKB bereits zuvor auf Erstattung der Tantiemen; Ortseifen seinerseits geht gerichtlich gegen seinen Rauswurf im Sommer 2007 vor.

Die große Resonanz auf den Zwischenstand im Fall IKB dürfte aber vor allem dadurch zu erklären sein, dass die Folgen der Finanzmarktkrise heute noch wesentlich dramatischer erscheinen als vor wenigen Monaten. Staatliche Rettungspakete in Höhe Hunderter Milliarden Euro, Dollar oder Pfund erschienen bis dahin kaum vorstellbar. Mittlerweile führt kein Weg mehr an staatlichen Großeingriffen vorbei, um die Finanzbranche zu stabilisieren. Doch eine zentrale Frage ist nach wie vor völlig offen: Wie haften jene Manager, die das Desaster mitzuverantworten haben?

Die IKB war das erste Finanzinstitut in Deutschland, das im Jahr 2007 unter der Last von Fehlspekulationen am US-Immobilienmarkt zusammenzubrechen drohte. Der wichtigste Aktionär und damit der oberste Aufseher des Instituts war zu jener Zeit ausgerechnet die bundeseigene KfW-Bank. Deren Management war der drohende Kollaps der IKB lange entgangen - fast so lange wie der erschrockenen Öffentlichkeit. Mit mehreren Milliarden Euro Hilfszahlungen und Garantien musste der Bund die IKB schließlich retten - und das war nur der Auftakt zu Hilfsaktionen am Finanzmarkt, die in der jüngeren Geschichte ohne Beispiel sind.

Es ist ruhig geworden um viele jener Bankmanager, die ihre Institute durch Spekulationen mit völlig undurchsichtigen Finanzmarktprodukten an den Rand des Abgrunds zockten. Der Fall der IKB-Tantiemen bringt das Thema Managerhaftung zurück auf die Tagesordnung. Dabei ist die rechtliche Situation hier noch vergleichsweise einfach: Tantiemen werden abhängig vom Gewinn oder einem anders definierten Erfolg des Unternehmens gezahlt. Der drohende Untergang einer Bank zählt zweifellos nicht dazu. Jenseits der Tantiemenfrage wird es allerdings kompliziert. Topmanager, sagt Alexander Lentz, sind gegen wirtschaftliche Rückschläge oder Fehlgriffe meist mit speziellen Versicherungen abgesichert. "Mit diesen sogenannten D+O-Versicherungen für Vorstände oder Geschäftsführer ist in der Regel selbst grobe Fahrlässigkeit abgedeckt", sagt Lentz, der in Hamburg als Fachanwalt für Arbeitsrecht bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing arbeitet. Doch selbst dann, wenn ein Vorstand einer Bank wegen grober Fahrlässigkeit vor Gericht käme, wären die Erfolgsaussichten der Kläger zweifelhaft, schätzt Lentz: "Die Definition dessen, was fahrlässig ist, hängt zumindest zum Teil ja auch davon ab, was in einem bestimmten System, in diesem Fall der Finanzwirtschaft, als verkehrsüblich gilt, wenn es keine konkreten Vorgaben gibt. Über die Frage etwa, was eine hoch spekulative Anlage bedeutet, hätten die meisten Fachleute wohl vor eineinhalb Jahren noch ganz anders geurteilt."

Als der Bund der IKB beisprang, schien die Finanzkrise noch vergleichsweise leicht eindämmbar zu sein. Mittlerweile wagt darüber kaum mehr jemand eine Prognose. Angesichts der wirtschaftlichen Gewalt der Ereignisse und der Höhe immer weiterer Hilfssummen geriet die Lage der IKB außerhalb der Branche längst in Vergessenheit. Der Finanzinvestor Lone Star, eine "Heuschrecke", kaufte im August mehr als 90 Prozent der IKB-Anteile. Ob die Bank das kommende Jahr ohne weitere massive Hilfen überlebt, ob ihr Geschäft mit Neukunden wieder in Gang kommt, ist völlig offen. Klar ist nicht einmal, wer das Institut von der übernächsten Woche an überhaupt führt: Der Vertrag von Günther Bräunig, Übergangschef von der KfW, endet am Freitag, den 31. Oktober.