Auch Daimler und Ford bauen weniger Fahrzeuge. Absatz in Deutschland sinkt 2008 womöglich. Kleinwagen gefragt.

Hamburg. Die wirtschaftlichen Folgen der Finanzmarktkrise zwingen einen Teil der deutschen Automobilhersteller dazu, die Produktion zu drosseln. Betroffen sind davon nach Informationen von gestern Opel und Ford, aber auch die Premiumhersteller Daimler und BMW. Im Volkswagen-Konzern hatten bereits die Marken Seat und Skoda Produktionskürzungen angekündigt. Für die Kernmarke VW gibt es nach Angaben aus dem Unternehmen derzeit keine entsprechenden Pläne. Die Tochtermarke Audi wiederum will die Fertigung weiter ausbauen. Der Sportwagenhersteller Porsche ist nach eigener Darstellung voll ausgelastet.

Die Produktionskürzungen fallen mitten in die laufende Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie. Die Gewerkschaft IG Metall fordert eine Erhöhung der Bezüge um acht Prozent, das ist die höchste Forderung seit 16 Jahren.

Angesichts der schlechten Nachfrage zeichnet sich ab, dass die Zahl der Neuzulassungen in Deutschland mit rund 3,15 Millionen Fahrzeugen in diesem Jahr auf dem Niveau von 2007 stagnieren wird. "Wenn es gut geht, kann die Branche das bereits schwache Ergebnis des Vorjahres noch erreichen. Wenn es schlecht geht, liegen die Zahlen darunter", sagte Willi Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft an der Fachhochschule Nürtingen, dem Abendblatt. "Wir müssen damit rechnen, dass der Absatz in Deutschland in diesem Jahr zurückgeht."

Der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) kündigte an, seine Prognose für 2008 zu überprüfen. "Die aktuelle Entwicklung deutet darauf hin, dass es schwieriger wird, die Neuzulassungsprognose in Höhe von 3,2 Millionen zu erreichen", heißt es in einer Stellungnahme.

Die stärksten Einschnitte bei der Fertigung plant offenbar Opel, das deutsche Tochterunternehmen des wirtschaftlich schwer angeschlagenen US-Konzerns General Motors. Im Opel-Werk Bochum stehen die Bänder bereits seit der vergangenen Woche still. In der kommenden Woche soll die Produktion dort wieder aufgenommen und dann die Fertigung im Werk Eisenach für drei Wochen gestoppt werden. Insgesamt will Opel bis Jahresende 40 000 Autos weniger bauen. "Wir spüren die Auswirkungen der Finanzkrise. Die Menschen halten ihr Geld fest und kaufen keine Autos", sagte ein Sprecher.

BMW unterbricht in seinem Werk Leipzig die Produktion Ende Oktober für vier Tage und reduziert damit die Stückzahl um 2800 Fahrzeuge. Insgesamt will BMW in diesem Jahr nach einer Ankündigung vom August 40 000 Autos, die für den US-Markt geplant waren, entweder gar nicht bauen oder aber in Länder wie China und Russland umlenken.

Auch Daimler passt die Produktion an die schwächere Nachfrage an. Die Weihnachtsferien im Werk Sindelfingen sollen bereits einige Tage früher am 17. Dezember beginnen. Eine geringere Fertigung ist auch für das US-Werk Tuscaloosa vorgesehen. "Es ist unser generelles Ziel, die Fahrzeugbestände auf möglichst niedrigem Niveau zu halten", so ein Sprecher.

Das Tochterunternehmen des US-Konzerns Ford schließlich drosselt seine Produktion nach eigenen Angaben im Werk Saarlouis und entlässt dort rund 200 Zeitarbeiter zwei Monate früher als ursprünglich vorgesehen.

Am stärksten leidet die Automobilbranche derzeit unter dem dramatischen Absatzrückgang in den USA, dem größten Automarkt der Welt. Dort waren die Verkäufe im September gegenüber dem Vorjahresmonat um 27 Prozent gesunken. Hauptgrund dafür sind neben der Finanz- und Wirtschaftskrise in den USA die hohen Spritpreise.

Obwohl die deutschen Hersteller international sehr erfolgreich sind, fällt es ihnen schwer, die US-Krise anderweitig auszugleichen. "Märkte wie China, Indien, Russland oder Brasilien wachsen zwar stark, aber damit lassen sich die Absatzverluste aus den USA nicht kompensieren", sagte Willi Diez. "Der wichtige Markt Westeuropa wiederum wird in diesem Jahr wohl ebenfalls rückläufig sein. Und in Deutschland ist ein gewisser Realismus eingekehrt, nachdem die Branche hier lange Zeit mit einem Potenzial von 3,4 Millionen Neuzulassungen im Jahr kalkuliert hatte."

Laut Kraftfahrtbundesamt lag die Zahl der Pkw-Neuzulassungen in Deutschland im September um 1,5 Prozent unter dem Niveau des Vorjahres. Für die ersten neun Monate 2008 ergibt sich aber noch ein leichtes Plus von 1,3 Prozent gegenüber den ersten drei Quartalen 2007.

Die Autohändler ziehen alle Register, um den schleppenden Verkauf zu stimulieren, sei es mit Rabatten oder mit Tankgutscheinen. "Es ist im Moment entschieden leichter, kleinere Fahrzeuge zu verkaufen", heißt es bei Norddeutschlands führendem Branchenvertreter Dello in Hamburg. "Wir haben allerdings vernünftige Einkaufskonditionen und können diese an die Kunden weitergeben."

Den stärksten Zuwachs verzeichnet nach der Statistik des Kraftfahrtbundesamtes derzeit das Segment der Kleinwagen mit Modellen wie dem Smart Fortwo, Renault Twingo oder Fiat 500. Rückläufig ist der Absatz in der oberen Mittelklasse, im Sportwagensegment und bei den Vans.