IG-Metall-Chef appelliert an die Kollegen: “Nicht aufgeben.“ Noch Aufträge für 225 Millionen Euro. Verlust bei vier Millionen Euro.

Kiel. Die Kieler Werft Lindenau hat Schiffbruch erlitten. Das Amtsgericht Kiel eröffnete gestern das Insolvenzverfahren und bestellte den erfahrenen Krisenmanager Jan H. Wilhelm zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Von dem Hamburger Juristen wird erwartet, dass er die Traditionswerft mit derzeit 370 Beschäftigten und 150 Leiharbeitern wieder flottmacht. Die Kieler Regierung sagte Finanzhilfen zu.

Die Werft, die Aufträge von mehr als 225 Millionen Euro in den Büchern hat und bis Ende 2009 ausgelastet wäre, war in den vergangenen Monaten (wie berichtet) immer weiter vom Kurs abgekommen. Hauptgrund für die vom Amtsgericht festgestellte "Zahlungsunfähigkeit" war der aktuelle Bauauftrag, ein Doppelhüllentanker. Lindenau hat in das neue Schiff schon 12 Millionen Euro investiert, erhält aber nur Abschlagszahlungen, wenn der Gesamtauftrag durchfinanziert ist. Hier klafft eine Lücke von 1,8 Millionen Euro, die keine Bank schließen wollte.

Die "bittere Nachricht" von der Insolvenz überbrachte Werftboss Dirk Lindenau seiner Belegschaft persönlich. Auf einer Betriebsversammlung in der großen Schlosserei der Werft erläuterte er kurz und knapp, dass die Krisengespräche mit Banken und Landesregierung am Wochenende gescheitert seien. Letzter Strohhalm war offenbar ein Investor aus Fernost. Sein Konzept blieb in Kiel aber umstritten.

Lindenau versuchte dennoch, seinen sichtbar enttäuschten Mitarbeitern Mut zu machen. "Mit der Insolvenz gibt es die Chance, die Werft zu retten." Die Werftarbeiter, fast alle im Blaumann und viele mit gelbem Helm, überzeugte das nicht. Ihr Beifall für den Boss blieb dünn. Mehr Applaus bekam Kiels IG-Metall-Chef Wolfgang Mädel. Er bemängelte, dass es auf der Werft bei alten und neuen Bauvorhaben Verluste gibt und zu viele Aufträge in zu kurzer Zeit erfüllt wurden. Hintergrund: Die Privatwerft hatte 2007 gut vier Millionen Euro Verlust geschrieben und Ablieferungstermine nicht einhalten können.

Mädel stärkte den Werftmanagern um Lindenau dennoch den Rücken und bat die Werftarbeiter, "bei der Stange zu bleiben". In jedem Untergang stecke "die Pflanze des Neuanfangs", sagte Mädel und beruhigte die Belegschaft. "Ihr müsst keine Angst haben, dass ihr in den nächsten Tagen kein Geld habt." Grund: Nach der Insolvenz zahlt das Arbeitsamt die Gehälter von rund drei Millionen Euro im Monat - bis mindestens Ende November.

Eine Perspektive für die Werft zeigte Kiels Wirtschaftsminister Werner Marnette (CDU) auf. Er sieht die Zukunft des Unternehmens, das auf Doppelhüllentanker setzt, im Spezialschiffbau. Wichtiger als solche Ratschläge war für die Werft eine Zusage des Ministers. Demnach wird das Land das Unternehmen weiterhin unterstützen, etwa mit Ausfallbürgschaften in Millionenhöhe. Marnette gelang es sogar, die ernsten Mienen in der Halle für einige Sekunden aufzuhellen. Der gebürtige Kölner schloss seine Jungfernrede auf der Werft mit einem kernigen "Glück auf".

Derweil machten die Werftarbeiter klar, was sie vom Insolvenzverwalter erwarten. Wilhelm, der schon die Werften SSW (Bremerhaven) und Cassens (Aurich) sanierte, soll nach einer Beerdigung der Lindenau GmbH eine Auffanggesellschaft auf die Beine stellen, die in Kiel-Friedrichsort weiterhin Schiffe baut. Einen ersten Schritt dahin will die Werft in dieser Woche gehen. Sie präsentiert sich wie geplant auf der weltweit größten Schiffsmesse (SMM) in Hamburg. Dirk Lindenau möchte dort neue Aufträge an Land ziehen, um die Werft an der Seite von Wilhelm zu retten. Mit der Insolvenz habe er als geschäftsführender Gesellschafter der Werft erst mal alles verloren, sagte Lindenau: "Ich besitze jetzt null von nichts."