Berichte aus 219 Filialen enthüllen Details aus Privatleben der Beschäftigten. Geschäftsführung versichert: “Keine Konsequenzen.“

Hamburg. Der Discounter Lidl soll Mitarbeiter systematisch überwacht haben. Die Lidl-Beschäftigten seien mithilfe von Kameras ausgespäht worden, berichtet das Magazin "Stern".

Lidl weist darauf hin, dass das Ziel der Überwachung "stets nur die Verringerung von Diebstählen durch Mitarbeiter war". Die Daten, die die beauftragte Detektei über das Privatleben der Mitarbeiter in 219 Filialen des Konzerns notiert habe, hätten "keinerlei Konsequenzen für die Beschäftigten gehabt", sagte Jürgen Kisseberth von der Lidl-Geschäftsführung dem Abendblatt. "Es sind mir weder Entlassungen noch Abmahnungen bekannt", sagte der Manager.

Das Abendblatt zitiert im Folgenden aus den internen Protokollen des Discounters, die dem "Stern" vorliegen:

Freitag 15.00 Uhr: Auch heute holt sich Frau L. in ihrer Pause ein belegtes Brötchen vom benachbarten Bäcker. Von einer Privatinsolvenz und der damit verbundenen "Enthaltsamkeit" keine Spur. Frau L. raucht in Deutschland versteuerte Markenzigaretten, schickt ihr Kind für vier Wochen in den Urlaub zu einer Schwägerin nach Italien und hat selbst zu ihrem Urlaub für vier Wochen ein befreundetes Ehepaar aus Russland eingeladen, welches auch bei ihr, bzw. der Familie L. wohnt. Meines Erachtens ist die Privatinsolvenz von Frau L. nur vorgeschoben, bzw. es liegt der Verdacht nahe, dass sie Geschäftsabschlüsse für ihren Mann auf ihren eigenen Namen genommen hat. Wenn man die Person L. beobachtet, kann man nicht nur feststellen, dass sie introvertiert ist, sondern auch naiv wirkt.

Samstag, 10.46 Uhr: Frau M. ist an beiden Unterarmen tätowiert, diese sehen jedoch mehr nach Marke "Eigenbau" aus; insbesondere ältere Kunden könnten diese auch als Gefängnis-Tätowierungen deuten. Man sollte Frau M. anweisen, die Unterarme während der Arbeitszeit, insbesondere an der Kasse, bedeckt zu halten.

Donnerstag, 14.50 Uhr: Frau T. telefoniert mit ihrem Freund, es geht um das gemeinsame Abendessen. Obwohl sie weiß, dass der Markt gut besucht ist und noch diverse Arbeiten zu erledigen sind, verspricht sie ihm, pünktlich Feierabend zu machen, was sie dann um 15 Uhr tut.

Samstag, 10.10 Uhr: Ich werde Zeuge eines privaten Gesprächs zwischen Frau J. und Frau L., hierbei geht es um GEZ-Gebühren; Frau J. erwähnt, dass sie noch nie GEZ-Gebühren gezahlt hätte, da sie immer noch zu Hause bei ihren Eltern gemeldet sei und nicht bei ihrem Freund, mit dem sie seit Längerem schon zusammenwohnt. Grund?

Fazit: Mit der Auszubildenden Frau J. muss dringend gesprochen werden, denn sie ist ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für das Unternehmen, insbesondere für diese Filiale. Ihr Freundeskreis besteht größtenteils aus Drogenabhängigen, die auch in diesem Markt mit Wissen von Frau J. ihrer Beschaffungskriminalität nachgehen.

Samstag, 13.55 Uhr: Im Aufenthaltsraum liegen zwei Bücher: einmal das "Schwarze Buch" von Ver.di, das zweite "Schwarz-Buch Europa", ebenfalls von Ver.di. Im zweiten Buch finde ich handgeschriebene Notizen von Frau N. Die Bücher hat Frau N. zwecks Verleih an Frau E. mitgebracht.

Donnerstag, 17.35 Uhr: Herr D. Schildert mir seine finanzielle schlechte Lage und spricht über die anstehende Vaterschaft und die damit verbundenen Kosten. Er sagt zu mir: " Demnächst brauch ich ne Menge Kohle."

Freitag, 17 bis 20 Uhr: Herr T., der ja nun Urlaub hat, taucht wieder im Markt auf - natürlich mit einem Muskelshirt. Er kasperte durch den Markt, der "Ausschalter" bei ihm wurde wohl immer noch nicht gefunden. Er fängt unaufgefordert an, den Markt mit durchzupappen (d. h. er füllt Ware aus Pappkartons in die Regale, d. Red.); nimmt sich dann die Reinigungsmaschine und wischt den Markt. Frau Z. fällt ein, dass sie noch fünf Minuten Restpause hat und sie gerne noch eine rauchen möchte. Herr T. zögert nicht lange und setzt sich in seinem Muskelshirt an die Kasse von Frau Z. und kassierte in seiner bekannten "fröhlichen" Art die Kunden ab. Herr T. verbringt insgesamt drei Stunden im Markt (als 20-Jähriger auf einem Freitagabend und obwohl er Urlaub hat).

Mittwoch, 16.15 Uhr: Obwohl Frau N. bis jetzt im Bereich Non-Food/Aktionsware immer noch nicht allzu viel geschafft hat, macht sie pünktlich ihre Pause. Sie sitzt zusammen mit Frau L. im Pausenraum; die Kräfte unterhalten sich über Gehälter, Zuschläge und bezahlte Überstunden. Frau N. hofft ebenfalls, dass ihr Gehalt bereits heute gutgeschrieben wurde, da sie für heute Abend dringend Geld benötigt (Grund = ?).

Donnerstag 17.00 Uhr: Frau J. macht ihre Pause und telefoniert mit Frau D. zwecks Planänderung. Frau J. möchte am Freitagnachmittag frei haben statt Mittwochnachmittag, da sie am Freitagnachmitag lieber zu einer Tupper-Party möchte.

Dienstag, 8.10 Uhr: Frau W., eigentlich im Urlaub diese Woche, sortiert das aktuelle Weihnachtsangebot im Lager und verräumt die Artikel im Markt. Warum ist sie trotz Urlaubs anwesend?

Donnerstag, 9.00 Uhr: Ich bespreche mit Herrn T. die sich deutlich verschlechternden Inventurzahlen: Sein Kommentar dazu: "Der (Verkaufsleiter C.) soll sich nicht immer so anstellen, ich kann nichts für die schlechten Inventurzahlen." Aufgrund seiner abfälligen Bemerkungen zu Herrn C. ("der Spinner", "... arbeitet lahmarschig", "der Arsch") ist dringend ein Gespräch mit Herrn T. erforderlich. Meines Erachtens hat Herr T. überhaupt keine Firmenidentifikation; auch was konkret ein Vorgesetzter ist und bedeutet, scheint er nicht zu wissen oder wissen zu wollen.