Immer mehr Gelder ins Ausland verschoben. Politiker für höhere Strafen.
Berlin/Hamburg. Die mit Beginn kommenden Jahres in Kraft tretende Abgeltungssteuer hat nach Angaben der Steuergewerkschaft schon jetzt eine neue Kapitalflucht ausgelöst. "Wir stellen fest, dass wegen der Abgeltungssteuer mehr Geld ins Ausland fließt", sagte der Chef der Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, gestern der ARD. Die Anlagen sollten vor dem Fiskus versteckt werden.
Die Abgeltungssteuer beträgt 25 Prozent auf alle Kapitalerträge. Sie wird anonym und pauschal erhoben.
Steueranwalt Michael Bormann von der internationalen Steuerkanzlei bdp sagte der Sendung "Bericht aus Berlin", im Züricher Büro des Unternehmens sei zu spüren, dass die Kapitalflucht aus Deutschland rapide zunehme. Die Abgeltungssteuer führe dazu, dass der Geldstrom aus Deutschland stärker werde. Schweizerische und liechtensteinische Banken setzten "ein Heer von Handlungsreisenden" ein, um vermögende Privatkunden zu besuchen und über die Vorteile in Liechtenstein zu informieren. Dabei böten einige Banken einen besonderen Service an, um das Risiko für die Anleger zu minimieren: Sie eröffneten die Möglichkeit, Bargeld in einem Geldtransporter über die Grenze in die Schweiz oder nach Liechtenstein zu bringen. Vorher werde das Geld auf mehrtägigen Touren meistens in Hotels eingesammelt. "Der Clou ist, dass das Geld dann als normale legale Devisenzufuhr in die Schweiz deklariert wird", sagte der Steueranwalt.
Die SPD will nun prüfen, ob die geltende Höchststrafe von zehn Jahren Freiheitsentzug noch ausreicht. In einer Erklärung wird kritisiert, dass bei Steuerdelikten die Strafverfahren meist gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt würden. Um potenzielle Täter abzuschrecken, müsse künftig Anklage erhoben werden. Die gesamte SPD-Führung will die Erklärung an diesem Montag in Hamburg verabschieden.
Auch die CDU sprach sich für eine "ernsthafte Debatte" darüber aus, ob der Strafrahmen bei Wirtschafts- und Steuerdelikten neu gefasst werden müsse. Ähnlich wie zuvor Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) befürchtete auch Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU), dass die Steueraffäre der Partei Die Linke Wähler zutreiben könnte.
Ver.di-Chef Frank Bsirske sieht wegen der Steueraffäre das Gemeinwesen insgesamt bedroht. "Ich will nicht hoffen, dass solche Skandale unser Gemeinwesen zerstören", sagte er. Außerdem sprach er sich für eine "ordentliche Besteuerung" von Spitzengehältern aus. "Alles, was über einem Jahresgehalt von zwei Millionen Euro liegt, sollte mit einem Steuersatz von 80 Prozent besteuert werden."
Das Fehlverhalten von Managern könnte sich nach Einschätzung der Industrie verheerend auf den Wirtschaftsstandort Deutschland auswirken. BDI-Präsident Jürgen Thumann kritisierte, die Steueraffäre um den scheidenden Postchef Klaus Zumwinkel und die Schmiergeldzahlungen bei Siemens seien "katastrophale Nachrichten", die dem Ruf Deutschlands schadeten.
Unternehmer und Manager müssten "Ethik und Verantwortung hochhalten. Nur dann wird das Ausland weiter bei uns investieren", sagte Thumann dem "Handelsblatt". Die sich häufenden Berichte über Unregelmäßigkeiten seien "für die Akzeptanz unseres Wirtschaftssystems verheerend". Es sei äußerst wichtig, den Konsens zu sichern. "Wir sind nach wie vor erfolgreich, weil wir bekannt sind für Anstand und Ehrlichkeit."
Unterdessen hat Liechtenstein für die Aufklärung der Steueraffäre in Deutschland Unterstützung zugesichert, will aber auch für deutsche Anleger weiter als Steuerparadies attraktiv bleiben. Die Steueraffäre und die Konsequenzen daraus dürften an diesem Mittwoch Thema des Treffens zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Liechtensteins Regierungschef Otmar Hasler sein.
Die Regierungssprecherin Liechtensteins sagte: "Sollte ein Rechtshilfeersuchen aus Deutschland bei uns einlangen, wird dieses umgehend bearbeitet werden." Grundsätzlich sei die liechtensteinische Regierung zuversichtlich, dass das Fürstentum als Steueroase attraktiv bleibt.