Seit Monaten hatten die Sonderermittler aus Bochum Zumwinkel im Visier. Als sie zuschlugen, waren nicht mal ihre Kollegen vor Ort informiert - damit nichts durchsickert.

Köln/Bochum. Der Ermittler lächelt bei der Frage nur kurz und schüttelt dann den Kopf. "Nächste Frage", bellt er zurück und macht damit deutlich, dass er nicht gewillt ist, besonders viel zu erzählen. Dabei hatte man nur wissen wollen, welche Fahnder am frühen Morgen um sieben Uhr bei Postchef Klaus Zumwinkel in Köln Marienburg geklingelt haben. Die örtliche Polizei kann es nicht gewesen sein, denn deren Sprecher hat sich noch im Laufe der Vormittags ahnungslos gegeben. "Wir wissen von nichts", lautete seine Antwort auf alle Fragen nach den Vorgängen im feinen Villenstadtteil Marienburg. Auch die Kölner Staatsanwaltschaft war nicht von den Kollegen eingeweiht worden. "Jeder Mitwisser gefährdet eine solche Operation", heißt es.

Zu diesem Zeitpunkt durchlebte Klaus Zumwinkel die vermutlich unangenehmsten Stunden seines Lebens. Noch in der Dunkelheit waren gleich mehrere Fahrzeuge mit Kennzeichen von Bochum, Düsseldorf, Essen und Nordrhein-Westfalen ("NRW") vor seinem Haus vorgefahren. Dem überraschten Hausherren präsentierten die Ermittler zwei Dokumente: einen Durchsuchungs- und einen Haftbefehl. In dürren Worten machten sie ihn darauf aufmerksam, dass wegen Steuerhinterziehung in erheblicher Größenordnung gegen ihn ermittelt werde und er das Recht habe, zu schweigen.

Seit Monaten hatten die Fahnder Klaus Zumwinkel im Visier. In einer lange geplanten Gemeinschaftsaktion haben sich gleich drei Behörden ausgiebig mit dem Postchef beschäftigt: Als federführende Stelle arbeitet die Steuerfahndung Essen, ihr helfen die Kollegen der Steuerfahndung Düsseldorf und für die Strafverfolgung haben die Steuerexperten die Staatsanwälte Bochum hinzugezogen. Die drei Behörden haben in den vergangenen Monaten ein Puzzle aus Geldflüssen und Kontobewegungen zusammengesetzt, die alle nach Liechtenstein führen.

In dem Fürstentum sollen etliche Millionen aus dem Privatvermögen von Klaus Zumwinkel auf Konten unterschiedlicher Stiftungen gelandet sein. Nicht nur am Konzernsitz der Post ist bekannt, dass Zumwinkel ein überaus vermögender Mann ist und auf sein Millionengehalt kaum angewiesen ist.

Die Ermittler sind durch einen Zufall auf Zumwinkel gekommen. Am Anfang stand ein anonymer Hinweis, er betraf allerdings nicht Zumwinkel selbst, sondern ein anderes Mitglied der Familie. Auch hier hegen die Ermittler den Verdacht, dass Millionen am deutschen Fiskus vorbeigeschleust wurden und verschiedene Liechtensteiner Stiftungen dabei sehr hilfreich waren. Das ist im Übrigen das Spezialgebiet der Bochumer Staatsanwälte. Sie genießen bundesweit einen besonderen Ruf, gelten in der eigenen Zunft als die "harten Hunde aus dem Revier". Sie scheuen nicht davor zurück, gegen Prominente aus Politik und Wirtschaft vorzugehen. "Den kochen wir weich", heißt es, was aber offiziell niemand so formulieren würde.

Gerade beim Thema Liechtenstein wurden die Staatsanwälte in Bochum hellhörig. Bald zehn Jahre lang haben sie im Zusammenhang mit Liechtensteiner Stiftungen ermittelt und dem deutschen Fiskus einen wirklichen Geldsegen beschert: Mehr als eine halbe Milliarde Euro haben die Bochumer bei den Reichen und Superreichen der Republik eingetrieben.

Die Geschichte fing damals mit einer scheinbar harmlosen CD an. Eines Tages landete ein solcher Datenträger in der Behörde; er erwies sich dann als wahre Fundgrube. Ein Anonymus hatte den Anklägern 1997 brisante Interna über 400 Stiftungen und 150 deutsche Kunden des Liechtensteiner Treuhänders Herbert Batliner geschickt. Der Mann mit besten Beziehungen zu den Mächtigen in Politik und Wirtschaft - er war und ist ein Freund von Helmut Kohl - hatte es verstanden, seiner vermögenden Klientel die Vorzüge des Fürstentums nahezubringen. Über Stiftungen haben seine Kunden dann Millionen über die Grenze geschafft und überwiegend in Stiftungen angelegt. Batliner wurde dadurch selbst ein reicher Mann.

Margit Lichtinghagen galt in der Bochumer Staatsanwaltschaft als ehrgeizig genug, dass man ihr die CD übergab. Sie hatte Namen und Anschriften, viele Details fehlten ihr aber. Nach akribischer Kleinarbeit knöpfte sie sich all jene vor, die geglaubt hatten, unantastbar sein. In ihren Fängen hatte sie Männer wie Friedrich Flick und Paul Schockemöhle, aber auch Halbprominente wie die Fernsehärztin Antje-Katrin Kühnemann. Wer nicht kooperierte oder vorgab, sich schlecht zu erinnern, dem half man auch schon mal mit einem Haftbefehl auf die Sprünge.

Auch bei Zumwinkel verfolgte man diese Strategie. Wie in all den anderen Fällen versuchen die Bochumer bei ihren Überraschungsbesuchen jeden Fehler zu vermeiden. Sie haben es sich zum Beispiel angewöhnt, die örtlichen Behörden komplett aus der Fahndung herauszuhalten. Deshalb wurde weder die Kölner Polizei noch die örtliche Staatsanwaltschaft über den bevorstehenden Zugriff informiert. "Da kann immer mal was durchsickern", heißt es dazu in Bochum. Dass die Medien gelegentlich frühzeitig einen Tipp bekommen, zählt zur Strategie der Ermittler: Bilder vom Zugriff, wie im Fall Zumwinkel, erhöhen den öffentlichen Druck auf potenzielle Delinquenten.

Auch bei Zumwinkel hat das offenbar Eindruck hinterlassen. Nach stundenlangen Verhören war er augenscheinlich bereit, zu kooperieren. Die zwei herbeigerufenen Anwälte werden ihm dabei behilflich gewesen sein; weder er noch seine Rechtsbeistände mochten das allerdings bestätigen.

Gegen Mittag wurde Zumwinkels Villa weiträumig abgesperrt; das durfte dann die Kölner Polizei machen, die inzwischen informiert war. Um kurz nach zwölf wurde Klaus Zumwinkel in eine der bereitstehenden dunklen Limousinen geführt, mit Blaulicht ging es in hohem Tempo und mit unbekanntem Ziel davon. Etwas später wurde klar, dass Zumwinkel mit den Ermittlern nach Bochum gefahren war - freiwillig. Weil er zu diesem Zeitpunkt eine Kaution in Millionenhöhe gestellt hatte, kamen ihm die Staatsanwälte entgegen; sie beherrschen das Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche. "Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt", teilten sie später mit.

Zusätzlich ließen sie noch durchblicken, dass Zumwinkel ihrer Ansicht nach Steuern in einer Größenordnung von einer Million Euro hinterzogen habe. Weitere Angaben wollen die Bochumer noch nicht machen. "Aus ermittlungstaktischen Gründen", wie einer aus ihren Reihen erläutert. Dass er dabei wieder dieses siegessichere Lächeln aufsetzte, konnte Klaus Zumwinkel nicht sehen - er wurde gerade in einem Nebenraum verhört.