Dieser Vorgang ist so ungeheuerlich, dass man ihn noch gestern nicht geglaubt hätte. Klaus Zumwinkel, seit 1990 Chef der Deutschen Post, steht unter Verdacht, jahrelang Steuern hinterzogen zu haben. Gestern früh wurde der Top-Manager aus seinem Haus zur Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft Bochum mitgenommen.

Nun ließe sich leicht erneut über eine unstillbare Gier philosophieren, wenn der Fall Zumwinkel nicht schwerer wiegen würde. Er trifft, wenn sich nicht doch noch alle Vorwürfe als gegenstandslos entpuppen, die Vertrauenswürdigkeit der Führungsspitzen der deutschen Wirtschaft ins Mark. Deren Vertreter stehen ohnehin in dem Ruf, für ein paar Prozente mehr Rendite ganze Fabriken zu verlagern, ungeniert Gehälter in Millionenhöhe zu kassieren oder ihre Dienstreisen mit Besuchen in fragwürdigen Etablissements zu verbinden, deren Dienste auf Firmenkosten beglichen werden. Wenn sich jetzt der Chef eines Konzerns, dessen größter Eigner der Staat ist, auf kriminelle Weise bereichert haben soll, was soll dann noch kommen?

Wirtschaft braucht Vertrauen. Das gilt vor allem für die deutsche, die als Exportweltmeister über weltweite Verbindungen verfügt. An ihrer Spitze müssen Eliten stehen und nicht Menschen, die es offensichtlich schaffen, über Jahre hinweg ihre Machenschaften zu verdrängen.

Dass jetzt doch noch etwas ruchbar wurde, ist die einzige gute Nachricht in diesem Fall. Staatsanwälte und Steuerfahnder schrecken also auch vor großen Namen nicht zurück, wenn es um Gerechtigkeit geht. Im Gegenzug muss Zumwinkel nun eine Fallhöhe aushalten, die kaum größer sein kann: Vom Chef eines Unternehmens mit 60 Milliarden Euro Umsatz zum Verdächtigen, gegen den ermittelt wird.