Der Discounter Lidl hat im Skandal um geheime Krankenakten Deutschland-Chef Frank-Michael Mros von seinem Posten enthoben. Damit ziehe der Vorstand die Konsequenzen aus den jüngsten Vorwürfen zum Datenschutz, teilte das Unternehmen am Montag in Neckarsulm mit.

Stuttgart. Das Maß war voll, der bisherige Deutschland-Chef Frank-Michael Mros muss nun die Konsequenzen aus dem erneuten Datenschutz-Skandal im Hause Lidl tragen. Dieser hatte Datenschützer in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg auf den Plan gerufen, die eine Überprüfung einleiteten.

Man habe sich mit einem Fragenkatalog an das Unternehmen gewandt, teilte die baden-württembergische Aufsichtsbehörde für den Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich mit. Der Sprecher der nordrhein-westfälische Datenschutzbeauftragten, Niels Schröder sagte: "Für die Aufzeichnung der Krankheitsgründe durch den Arbeitgeber sehen wir keine Rechtsgrundlage."

Der Discounter hatte noch nach Aufdeckung des Skandals um die Bespitzelung von Mitarbeitern Beschäftigte aufgefordert, den Grund ihrer Erkrankung anzugeben, und diesen auf Formularen festgehalten. Schröder sagte, man sei schon erstaunt, dass Lidl noch nach dem Bußgeld im vergangenen Sommer gegen den Datenschutz verstoßen habe.

Das Unternehmen habe damals Besserung gelobt. Lidl hatte am Samstag nach einem Bericht zu den Krankenakten eingeräumt: "Dies war nicht datenschutzkonform, diente aber dazu, die Mitarbeiter ihrem gesundheitlichen Zustand entsprechend einzusetzen." Ende 2008 sei die Praxis eingestellt worden.

Unterlagen im Müll gefunden

Das Vorgehen kam laut "Spiegel" heraus, nachdem mehrere hundert Seiten firmeninterner Unterlagen zufällig in einer Mülltonne in Bochum entdeckt worden waren. Dagegen teilte Lidl mit, die Listen seien von einem Mitarbeiter unsachgemäß entsorgt und dem "Spiegel" zugeleitet worden. In den Krankenunterlagen steht dem Bericht zufolge über eine Mitarbeiterin, die im Juni vergangenen Jahres krankgeschrieben war: "Will schwanger (werden). Befruchtung nicht funktioniert." Im Fall einer Filialleiterin seien "private Probleme" notiert worden.

Alle Einträge stammen nach Informationen des Blatts aus der Zeit nach der Entdeckung der Spitzelmethoden. Lidl hatte im März 2008 eingeräumt, in 219 Filialen Detektive zur Mitarbeiterüberwachung eingesetzt zu haben. Deswegen war ein Bußgeld von insgesamt fast 1,5 Millionen Euro verhängt worden.

Der Sprecher der nordrhein-westfälischen Datenschutzbeauftragten sagte weiter, nun werde geprüft, ob es sich um ein bundesweites Problem bei Lidl handele. Sollte dies der Fall sein, solle möglicherweise Baden-Württemberg die federführende Untersuchung des Vorfalls übernehmen.

Kisseberth neuer Deutschland-Chef

Nachfolger des bisherigen Deutschland-Chefs Mros werde Jürgen Kisseberth, der seit über zwei Jahrzehnten in unterschiedlichen leitenden Funktionen im Unternehmen tätig sei. Der Berater für den Datenschutz bei Lidl, Joachim Jakob, sagte, ihm sei das entsprechende Formular zum ersten Mal im November letzten Jahres untergekommen. Dann habe es die Anweisung gegeben, die Unterlagen zu vernichten.

"Durch eine solche Geschichte wird die ganze Arbeit untergraben. Das hat mich tief getroffen", sagte der ehemalige Bundesdatenschutzbeauftragte, der nach der Bespitzelungs-Affäre von Lidl engagiert worden war. Im Konzern wurden infolge des ersten Skandals knapp 40 betriebliche Datenschutzbeauftragte ernannt, wie Jakob berichtete.