Die einen nennen es ein “Traditionsprodukt“, für die anderen ist der Senf aus dem brandenburgischen Wriezen “die schärfste Sache der Stadt“. Schon zu DDR-Zeiten liebten die Bürger das heimische Produkt, auch nach der Wende blieb das traditionelle Rezept wie früher - nämlich ein Betriebsgeheimnis.

Wriezen. Sven Durau gibt gern seinen Senf dazu. Seit fünf Jahren produziert der Senfmüller im brandenburgischen Wriezen die beliebte Speisewürze. Mittelscharfer und scharfer Senf sowie Ketchup stammen aus seiner Manufaktur.

Für Bürgermeister Uwe Siebert (parteilos) ist es "die schärfste Sache aus unserer Stadt", wie er sagt. Seit 50 Jahren wird in Wriezen Senf produziert. Aus diesem Anlass lädt das Unternehmen an diesem Samstag ab 10 Uhr zum Tag der offenen Tür. Besucher können dann auch den neuen Oderbruch-Senf "Wriezener Teufelchen" verkosten. Mit dem Namen will Senfmüller Durau gewissermaßen die beiden Wahrzeichen der Stadt - Senf und Marktbrunnen mit Teufelsfigur - verknüpfen.

Für die Senffabrik kam mit der Wende das Aus. Zwei Versuche, die Produktion wieder aufzunehmen, währten nicht lange. Aller guten Dinge sind drei, dachte sich Durau und ging das Wagnis ein. Fabrik und Grundstück gehörten seiner Familie. "Ich kannte die alten Senfmüller", sagt Durau bescheiden. Sie halfen ihm und weihten ihn in das Geheimnis der Senfproduktion ein.

"Genaue Angaben bleiben ein Betriebsgeheimnis"

Senf wird aus Senfmehl, Wasser, Essig, Salz, Zucker und Gewürzen hergestellt. "Genaue Angaben bleiben ein Betriebsgeheimnis." Siebert sagt: "Wriezener Senf ist ein Traditionsprodukt." Seit 2004 hat Durau, der für die neue Tätigkeit seinen Beruf als Fitnesstrainer an den Nagel hängte, gut 100 Tonnen Senf hergestellt.

Verbraucher bestätigen Durau, dass der Senf wie vor der Wende schmeckt. "Das Rezept wurde nicht verändert", betont der 40-Jährige. Konservierungsmittel, Farbstoffe und Dickungsmittel seien tabu. Von Kunden, die den Senf probierten, hätten ihn anschließend 80 Prozent gekauft. Duraus Produktpalette umfasst 13 Sorten Senf und eine Sorte Ketchup. Mit dem Original Wriezener Senf beliefert der Ein-Mann- Betrieb Geschäfte in Ostbrandenburg und Berlin. Künftig will Durau noch stärker auf Messen präsent sein, die regionale Produkte anbieten. Bei aller Liebe zum Beruf - das Geschäft sei kein leichtes, seufzt der Senfmüller. "Alle Kosten sind gestiegen, wie beispielsweise die Preise für Verpackungsmaterial und Senfsaat."

Pro-Kopf-Verbrauch lag in der DDR bei 1,4 Kilogramm im Jahr

Nach Einschätzung von Jörg Dietlein, Geschäftsführer der Develey Senf & Feinkost GmbH in Bautzen, unterscheidet sich der in den neuen Bundesländern hergestellte Senf im Vergleich zu dem aus dem Westen in drei Punkten: Senf aus dem Osten habe seine natürliche Farbe, sei nicht so salzig und nicht so sauer wie die West-Produkte. Dies seien auch Gründe für die Produkttreue der Kundschaft. Regionale Rezepturen seien zudem im Aufwind. "Senf braucht Heimat." In der DDR wurde an 17 Orten Senf produziert und lag der Pro-Kopf-Verbrauch bei 1,4 Kilogramm im Jahr.

Für das Jahr 2007 gibt der Verband der Senf- und der Essigindustrie den Pro-Kopf-Verbrauch für Deutschland mit 936 Gramm Senf an. Fast 85.000 Tonnen Senf wurden 2007 produziert, wie eine Sprecherin berichtet. Die Senfkörner stammten im vergangenen Jahr zu 82,4 Prozent aus Importen, zumeist aus Tschechien, der Ukraine und Kanada.

Nach Einschätzung von Durau ist der Anbau von Senf weltweit zurückgegangen. Die Landwirte setzten stärker auf Getreidesorten zur Energiegewinnung, meint er. So sei die Idee entstanden, den Senf gewissermaßen vor der eigenen Haustür, im Oderbruch, anzubauen. Spruchreif sei das aber noch nicht.