Bahnchef Hartmut Mehdorn hat einen Rücktritt wegen der Datenaffäre abgelehnt. Der Schritt werde von ihm gefordert, ohne dass die Untersuchungen zu der Affäre abgeschlossen seien, kritisierte er am Freitagabend in Berlin. „Hierfür stehe ich nicht zur Verfügung.“ Die Gewerkschaftsvertreter im Aufsichtsrat hatten zuvor Mehdorns Rücktritt gefordert.

Bahnchef Hartmut Mehdorn hat einen Rücktritt wegen der Datenaffäre abgelehnt. Der Schritt werde von ihm gefordert, ohne dass die Untersuchungen zu der Affäre abgeschlossen seien, kritisierte er am Freitagabend in Berlin. "Hierfür stehe ich nicht zur Verfügung." Zuvor hatten die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nach dem Bekanntwerden weiterer Ausspähaktionen bei der Bahn AG den Rücktritt Mehdorns verlangt.

In einer Sitzung des Kontrollgremiums hatten die Sonderermittler Gerhart Baum und Herta Däubler-Gmelin sowie die KPMG-Wirtschaftsprüfer eine Art Rasterfahndung bei den E-Mails von rund 70.000 bis 80.000 Eisenbahnern aufgedeckt, die der Ermittlung von Geheimnisverrat und Korruption dienen sollte. Mehdorn erklärte, die Bahn leide seit Jahren unter "größtem illegalen Informationsabfluss". Die nun in dem Zwischenbericht an den Aufsichtsrat angeführte E-Mail-Protokollierung sei ausdrücklich mit dem Ziel gestartet worden, Geheimnisverrat durch E-Mails aufzudecken.

Mehdorn äußerte die Auffassung, die Aktion sei von einer Betriebsvereinbarung gedeckt. Weder Betriebs- noch Aufsichtsräte oder Journalisten seien bei der Bahn bespitzelt worden, sagte Mehdorn, "auch nicht die Mitarbeiter". Er bekräftigte seine Ansicht, die bisherigen Ermittlungen hätten nichts strafrechtlich Relevantes ergeben.

Der Chef der Gewerkschaft Transnet, Alexander Kirchner, sagte, für die Arbeitnehmervertreter sei der Punkt erreicht, wo personelle Konsequenzen zu ziehen seien. Entweder müsse Mehdorn selbst gehen oder der Eigentümer - also der Staat, die Bundesregierung - müssten ihn ablösen. Mehdorn treffe trotz einer neuerlichen Beteuerung, auch von der E-Mail-Ausspähung nichts gewusst zu haben, die politische Verantwortung unabhängig davon, wie die Aktionen rechtlich zu bewerten seien. Sein GDBA-Kollege Klaus-Dieter Hommel nannte besonders den Umstand, dass "alle Kollegen, auch Gewerkschaftsfunktionäre und Betriebsräte", durch das E-Mail-Raster gezogen worden seien, unerträglich.

Sollte Mehdorn nicht von selbst gehen und auch der Eigentümer bei der Ablösungsfrage "rumeiern", so Kirchner, würden die Gewerkschaften Mittel und Wege finden, eine Entscheidung zu erzwingen. Bei einem Patt im Aufsichtsrat zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbank kann der Vorsitzende eine Zweitstimme geltend machen und damit eine Entscheidung herbeiführen.

Unmittelbar nach der Sitzung hatte sich bereits Verkehrs-Staatssekretär Achim Großmann "so beeindruckt" von neuen "belastenden Hinweisen" gezeigt, dass er vorerst "kein Fazit ziehen" wollte. Er sprach aber von einer "ganz schwierigen Situation" der Bahn. Auf die Frage nach der Zukunft Mehdorns antwortete er: "Fragen Sie mich nächste Woche."

Die zur Aufklärung der Affäre eingesetzten Sonderermittler wollen ihren Abschlussbericht im Mai vorlegen, wie der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum erklärte.

Neben den bereits bekannten 43 heimlichen Ausspähaktionen hatten Baum und Däubler-Gmelin herausgefunden, dass zur Überwachung des E-Mail-Verkehrs eine technische Vorkehrung geschaffen wurde, eine Art "automatische Weiterleitungsfunktion". Von 2005 bis 2008 seien danach sämtliche E-Mail-Verkehre durch ein Raster gelaufen, mit dem Bahnkritiker und Journalisten unter den Adressaten herausgefiltert wurden. Welche Konsequenzen das im einzelnen hatte, ist noch offen.

Der Chef der nicht im Aufsichtsrat vertretenen Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, hatte zuvor bereits in der "Frankfurter Rundschau" Mehdorns Entlassung für den Fall gefordert, dass es weitere Überwachungen von Mitarbeitern gegeben habe.