Tausende zittern mit Bernd Krupsky. “Es war eigentlich eine sichere Anlage“, meint das Gericht. Noch kein Urteil.

Hamburg. Vor dem Gerichtsgebäude am Sievekingplatz ist die Stimmung noch gut. Rund 50 Anleger machen mit Transparenten, Trillerpfeifen und Trommeln auf ihre Verluste mit Zertifikaten der zusammengebrochenen amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers aufmerksam. So wie Karl-Heinz Gandner (69), der bei der Citibank 22 000 Euro in solche Papiere angelegt hat. "Als völlig sichere Anlage wurden mir die Zertifikate Ende 2007 verkauft." Sieben Prozent Zinsen sollte es geben. "Dabei habe ich noch gesagt, die Höhe der Zinsen ist nicht wichtig, auf die Sicherheit kommt es mir an", sagt Gandner. So ähnlich hören sich alle Schilderungen an diesem Tag an. Für die Protestierenden ist klar: Die Banken haben nicht darüber aufgeklärt, dass ein Zertifikat wertlos verfällt, wenn der Emittent - also Lehman Brothers - Insovenz anmeldet.

Mitten unter den Protestierenden steht ein schlanker Mann. Schirmmütze statt Plakat. Leicht zu übersehen. Doch alle Fotoobjektive richten sich an diesem Tag auf sein schmales Gesicht. Denn der 64-Jährige pensionierte Gesamtschullehrer Bernd Krupsky klagt als erster gegen die Hamburger Sparkasse (Haspa). 10 000 Euro hat er in ein Lehman-Zertifikat investiert. "Anfangs schämt man sich, sucht die Schuld sogar bei sich selbst", sagt er. "Doch das ist die falsche Einstellung." Jetzt hat er sich mit der Rolle als Vorreiter abgefunden.

Tausende von geschädigten Anlegern blicken auf diesen Prozess. Seit seiner Studentenzeit war er Kunde bei der Haspa. Er sieht sich als konservativen Anleger. "Nur an der Telekom-Aktie habe ich mir mal die Finger verbrannt", sagt Krupsky. Stets fragt er deshalb bei einer Geldanlage nach dem Worst-Case-Szenario, also was im schlimmsten Fall passieren kann. Dass die Zinsen etwas niedriger ausfallen können als erwartet, habe die Haspa-Beraterin daraufhin gesagt, nicht aber dass er von einer geschützten Anlage in eine ungeschützte Anlage gewechselt hat.

Im Prozess finden solche Argumente kaum Gehör. Wurde der Anleger zum damaligen Zeitpunkt richtig beraten? Ja, meint Richter Martin Tonner. "Denn es war eigentlich eine sichere Anlage, weil das Kapital in jedem Fall zu 100 Prozent zurückgezahlt werden sollte", sagt er. Das quittiert der überfüllte Saal mit lautem Gelächter. Nur einen Punkt lässt Richter Martin Tonner gelten: Den einer Pflichtverletzung bei der Aufklärung über Provisionen oder Margen. Das ergibt sich aus einem Urteil des Bundesgerichtshofes von 2006 (XI ZR 56/05). Es geht darum, wie viel die Haspa an diesem Geschäft verdient hat. Das hätte Krupsky wissen müssen. Doch gleichzeitig muss der Kläger nach Tonners Einschätzung auch nachweisen, dass er sich für eine andere Anlage entschieden hätte, wenn er davon gewusst hätte.

Krupskys Anwalt Ulrich Husack sieht das ganz anders. Nicht sein Mandant, sondern die Haspa müsse dieser sogenannten Beweislast genügen. Die Gegenseite glaubt dagegen, der Offenlegung von Provisionen bereits im Preisverzeichnis Genüge getan zu haben. Außerdem müsse die Bank nicht über allgemein wirtschaftliche Eigeninteressen aufklären.

Richter Tonner ließ durchblicken, dass er am 12. Mai kein Urteil verkünden wird, sondern höchstwahrscheinlich in die Beweisaufnahme eintrete, da eine gütliche Einigung gescheitert sei.

Krupsky war nach dem ersten Prozesstag sichtlich enttäuscht: "Ich wundere mich schon, dass diese Garantiezusage über die Kapitalrückzahlung in der juristischen Auseinandersetzung kaum eine Rolle spielt", sagte der Pensionär dem Abendblatt. Aber er will weiter kämpfen. "Ich bin überzeugt, dass ich das Geld zu 100 Prozent zurückbekommen muss."