Über die Folgen einer möglichen Enteignung bei der Hypo Real Estate sprach das Abendblatt mit Michael Fehling, Professor für Öffentliches Recht an...

Hamburg. Über die Folgen einer möglichen Enteignung bei der Hypo Real Estate sprach das Abendblatt mit Michael Fehling, Professor für Öffentliches Recht an der Hamburger Bucerius Law School.


Hamburger Abendblatt:

Wie deckt das Grundgesetz Enteignungen?

Michael Fehling:

In Artikel 14 des Grundgesetzes ist das durchaus vorgesehen. Aber es gibt dafür strenge Maßstäbe. Die Enteignung muss zum Wohl der Allgemeinheit erforderlich sein und es muss auch eine angemessene Entschädigung geleistet werden.



Abendblatt:

Welche Rolle spielen Enteignungen normalerweise?

Fehling:

Sie kommen hin und wieder vor, wenn ein Grundstück, das für eine Autobahn oder ein anderes Infrastrukturprojekt benötigt wird, nicht auf übliche Weise erworben werden kann. Dafür gibt es bereits Gesetze, die das regeln. Auch für die Verlängerung der Startbahn bei Airbus in Hamburg wurden einige wenige Grundstücke enteignet.



Abendblatt:

Macht die Enteignung der Aktionäre einer fast insolventen Bank rechtliche Probleme?

Fehling:

Rein rechtlich sehe ich das unproblematisch, sofern die Eigentümer einen Verkauf zum gegenwärtigen Verkehrswert verweigern. Bei den Gründen, die die Bundesregierung anführt, geht es um die Abwendung einer systemischen Krise, also dem völligen Zusammenbruch des Bankensystems. Das ist zum Wohle der Allgemeinheit und dürfte damit auch einer rechtlichen Überprüfung standhalten.



Abendblatt:

Warum gibt es dann so viel Aufregung um die mögliche Enteignung der Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE)?

Fehling:

Aus rechtlicher Sicht gibt es dafür keine Gründe. Das ist eine ordnungspolitische Debatte.



Abendblatt:

Rechnen Sie damit, dass Aktionäre vor das Bundesverfassungsgericht ziehen?

Fehling:

Das wäre nicht sofort möglich. Geht es um die Enteignung als solche, so müsste erst vor dem Bundesverwaltungsgericht geklagt werden, beim Streit über die Höhe der Entschädigung hätte der Bundesgerichtshof zu entscheiden. Erst danach wäre der Gang vor das Bundesverfassungsgericht zulässig.



Abendblatt:

Welche Entschädigung wäre zu erwarten?

Fehling:

Das Maximum ist der aktuelle Aktienkurs, schon aus Gründen der haushaltsrechtlich gebotenen Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. So sieht es der Gesetzentwurf auch vor. Angesichts von über 100 Milliarden Euro an Steuergeldern, die bereits zur Stützung der HRE geflossen sind, wäre es verfassungsrechtlich auch möglich, dass die Entschädigung noch geringer ausfällt. Denn der Kurs ist womöglich nur deshalb noch so hoch wie jetzt, weil bereits so viel staatliches Geld in die Bank geflossen ist.



Abendblatt:

War es sinnvoll, das Gesetz zeitlich eng zu befristen?

Fehling:

Da bei jedem auf das Gesetz gestützten Enteignungsakt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ohnehin eine gründliche Einzelfallprüfung erforderlich ist, gibt es für eine solche Befristung aus rechtlicher Sicht keinen zwingenden Grund. Ich hätte es für sinnvoller gehalten, wenn sich die Regierung mehr Optionen offengehalten hätte, als für jeden ähnlichen späteren Fall ein neues Gesetz zu schmieden.