Ob Nudeln, Brot, Milch, Süßigkeiten oder Kaffee - im Lebensmittelhandel purzeln seit Jahresbeginn die Preise. Produkte werden bis zu 34 Prozent billiger verkauft. Für Hamburger Verbraucherschützer ein Grund zur Warnung: Sie befürchten Qualitätsverlust.
Hamburg. Kaum ein Produkt bleibt verschont: Fast jede Woche locken Discounter auf großen Anzeigen mit neuen Reduzierungen. Einige Abschläge betragen in der Spitze bis zu 34 Prozent. Sogar Obst, Gemüse und Frischfleisch sind teilweise günstiger. Auch Supermärkte reduzieren viele Artikel des Sortiments.
Profiteure sind vor allem die Verbraucher, die weniger für ihren Lebensunterhalt ausgeben müssen. "Der Preisrückgang zeigt, dass der Markt gut funktioniert", sagt der Geschäftsführer des Hauptverbands des Deutschen Einzelhandels (HDE), Hubertus Pellengahr.
Grund für die aktuelle Preisschlacht sei neben den sinkenden Rohstoffpreisen der starke Wettbewerb im deutschen Einzelhandel, sagt Just Schürmann, Partner und Geschäftsführer bei der Boston Consulting Group (BCG).
Die großen Handelsriesen wie Aldi, Lidl, Edeka (Netto, Plus) und Rewe kämpfen verstärkt um Marktanteile. "Im Lebensmitteleinzelhandel geht derzeit die Post ab", sagt die Geschäftsführerin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Sabine Eichner.
Der deutsche Lebensmittelhandel wird heute durch Konzerne geprägt. Zuletzt kaufte Edeka die Kette Plus, um sie mit ihrem Discounter Netto neu aufzustellen. Die Konzentration führte dazu, dass nur noch vier Firmen gut 75 Prozent des Marktes unter sich aufteilen. Dazu zählen Aldi-Nord und Aldi-Süd, Lidl, Rewe und Edeka.
Discounter sind die Gewinner
Gleichzeitig wächst seit Jahren der Zulauf auf die Discounter: Rund 43 Prozent aller Lebensmittel werden bei Discountern gekauft - vor acht Jahren waren es nur etwa 32 Prozent. Und dieser Anteil dürfte künftig noch steigen.
"In Krisenzeiten sind Discounter immer die Gewinner", sagt Rolf Bürkl von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). "Jeder Verbraucher versucht in der Rezession zu sparen und sich günstig mit Waren einzudecken."
In der aktuellen Preisschlacht sind laut Branchenkennern Aldi und Penny die Taktgeber. Die übrigen Anbieter folgten. So auch Lidl: "Wir passen uns der Marktsituation an", sagte Pressesprecherin Petra Trabert. Auch die Supermärkte von Edeka und Rewe reagieren zeitversetzt. Den Spielraum für Preissenkungen erhält der Handel vor allem durch die seit einem halben Jahr sinkenden Treibstoff- und Rohstoffpreise für Lebensmittel.
Gleichzeitig wächst der Druck der Discounter auf die rund 5800 Lebensmittelhersteller in Deutschland mit ihren insgesamt 530 000 Beschäftigten, ihre Produkte günstiger abzugeben. "Wir können jetzt die gesunkenen Einkaufspreise an unsere Kunden weitergeben", sagt Edeka-Sprecher Alexander Lüders.
Bauern sind die Verlierer
Der Preiskampf im Handel kennt aber nicht nur Gewinner. "Nachdem die vergangenen beiden Jahre für die Bauern einigermaßen erfolgreich verlaufen, trifft es uns jetzt wieder einmal besonders hart", sagt Michael Lohse, Sprecher des Bauernverbandes. Denn die Überproduktion bei Milch und Getreide drücke die Preise bereits seit Monaten in den Keller. Der Preisdruck der Discounter verschärfe nun diese Situation weiter.
Verbraucherschützer fürchten zudem, dass sich die niedrigen Preise mittelfristig auf die Qualität auswirken könnten. "Es besteht die Gefahr, dass das Qualitätsniveau der Lebensmittel aus Sparmaßnahmen auf breiter Front sinken wird", befürchtet Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg.
Die Ernährungsexpertin hat bereits mehrere Negativbeispiele entdeckt, bei denen Früchte in Lebensmitteln durch Aromen ersetzt wurden. So werbe Danone mit einer Pistazie auf einem Joghurt, obwohl das Milchprodukt nur Aromen beinhaltet, aber keine einzige Nuss. Der Hersteller Bad Heilbrunner wirbt mit einem Honigtopf für seinen Kamille-Tee, doch der Honig ist in dem Produkt nur als Aroma vorhanden, so Schwartau. Zudem führten niedrige Preise dazu, dass regionale Hersteller weniger Chancen hätten, im Regal zu landen.
Ob es weitere Preissenkungen geben wird, will keiner der Anbieter verraten - schon aus Schutz gegenüber der Konkurrenz. Grundsätzlich rechnet Sabine Eichner längerfristig mit steigenden Preisen: "Die Weltbevölkerung wächst und damit die Nachfrage nach hochwertigen Lebensmittel. Gleichzeitig könnte der Klimawandel die Ernten einschränken. Dies wird zu höheren Preisen führen." Auch der BCG-Partner Schürmann meint: "Es ist kein allgemeiner Preisverfall zu erwarten."