Ökonomen erwarten Rückgang bis 3,8 Prozent. HWWI: Hamburg stärker betroffen. Arbeitslosigkeit könnte bis 2010 auf vier Millionen ansteigen.

Hamburg. Thomas Straubhaar vergleicht die Weltwirtschaft mit einem elektrischen Gerät, das plötzlich von der Steckdose getrennt wurde. "Seit dem 15. September, dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers, ist der Stecker aus der Weltwirtschaft gezogen worden. Es fehlt ihr Saft und Dynamik", sagte der Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) gestern in Hamburg bei der Vorstellung einer neuen Konjunkturprognose.

Danach rechnet das HWWI für 2009 mit einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland von 3,8 Prozent - in Hamburg sogar von mehr als vier Prozent. Kaum besser fällt die Vorhersage des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel aus. Die Forscher erwarten, dass die deutsche Wirtschaft um 3,7 Prozent schrumpft. Beide Institute mussten damit ihre bisherigen Prognosen deutlich nach unten anpassen. Ende 2008 glaubte Straubhaar noch, dass die deutsche Wirtschaft nur um 1,2 Prozent schrumpfen wird: "Damals konnte ich mir noch nicht vorstellen, dass der Einbruch so gewaltig in allen Ländern ausfallen wird."

Auch die Forscher des IfW argumentieren ähnlich: "Die Weltkonjunktur ist zum Ende des vergangenen Jahres deutlich stärker eingebrochen als von uns erwartet."

Beide Institute rechnen mit mehr als vier Millionen Arbeitslosen im nächsten Jahr. Das HWWI geht im Durchschnitt von 4,04 Millionen aus und das IfW erwartet 4,25 Millionen. Auch das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) prognostiziert einen stärkeren Anstieg der Arbeitslosigkeit als bisher. Das IAB rechnet für dieses Jahr im Durchschnitt mit 3,6 bis 3,7 Millionen Arbeitslosen. Das wären bis zu 430 000 mehr als 2008 und bis zu 200 000 mehr als bisher von der Bundesregierung erwartet. Das HWWI rechnet mit 3,62 Millionen Arbeitslosen in diesem Jahr.

Trotz vieler schlechter Nachrichten ist Straubhaar überzeugt, dass die Talfahrt der Wirtschaft etwa zur Jahresmitte ausläuft. "Wir erwarten, dass die USA schnell wieder auf den Wachstumskurs einschlagen, weil jetzt auch den schwächeren Haushalten unter die Arme gegriffen wird", sagte Straubhaar. Deshalb erwartet das HWWI für 2010 wieder ein Wachstum des BIP von einem Prozent in Deutschland. Die Europäische Zentralbank bestätigt Anzeichen einer Erholung für 2010.

Um das nicht zu gefährden, spricht sich Straubhaar für moderat steigende Löhne aus, die als Konsumstütze wirken. "Die Krise sollte nicht zur Lohndrückerei genutzt werden."

Hamburg trifft der Abschwung besonders hart. Die Hansestadt wird deshalb schlechter als der Bund abschneiden. "Wir rechnen damit, dass die Wirtschaft in Hamburg 2009 um mehr als vier Prozent schrumpfen wird", sagte Straubhaar. "Die Branchen Logistik, Luftverkehr und Schifffahrt sind in ihrer Gewichtung so stark, dass deren Rückgänge nicht von anderen Bereichen aufgefangen werden können." Allerdings werde sich Hamburg auch besonders schnell von der Krise erholen wenn es wieder aufwärts geht.

Dennoch bleibt Straubhaar für den Arbeitsmarkt in Hamburg relativ gelassen. "Ich erwarte nicht, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit höher als im Bund ausfällt." Da Hamburg stark von Pendlern dominiert werde, falle ihr Jobverlust nicht in die Hamburger Statistik. Außerdem gebe es hier sehr gut qualifizierte Belegschaften. Das spreche dafür, dass Betroffene schnell wieder eine Stelle finden. In einigen Bereichen gebe es sogar unverändert einen Fachkräftemangel, sodass dieser wegen der geringeren Aufträge nun etwas gemindert werden kann. Stärkere Einbrüche erwartet Straubhaar für die norddeutsche Werftenindustrie. "Die Nachfrage wird zurückgehen und Neubauten werden sich verzögern. Kommen dazu noch Finanzierungsengpässe, kann es auch zur Schließung von Standorten kommen. Hamburg profitiert als Werftenstandort davon, im Bereich Wartung und Reparatur eine starke Position zu haben", sagt Straubhaar.

Nicht alle Branchen werden von der Krise hart getroffen. "Die Bauwirtschaft gehört in Hamburg zu den Branchen, die sich gegen die Krise stemmen können", sagt Straubhaar. Dazu trage auch das Hamburger Konjunkturpaket bei, von dem vor allem mittelständische Firmen profitieren würden." Auch Unternehmen aus den Bereichen Energie, Infrastruktur, IT und Kommunikation, Gesundheit und Medizin, Pharmaindustrie, Versicherungen, Beratungsleistungen und Tourismus seien kaum von der Krise betroffen.