Experten raten eher zu Fest- als zu Tagesgeld. Kredite dürften allerdings kaum billiger werden.

Hamburg. So niedrig waren die Zinsen noch nie: Im Kampf gegen die Wirtschaftskrise hat die Europäische Zentralbank (EZB) gestern ihren Leitzins auf den tiefsten Stand seit Einführung des Euro vor zehn Jahren gedrückt. Der Zinssatz, zu dem sich Banken bei der EZB refinanzieren können, wurde von zwei auf 1,5 Prozent ermäßigt. Weitere Zinssenkungen sind nicht ausgeschlossen. "Wir haben uns nicht darauf festgelegt, dass dies der niedrigste Punkt ist", sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet. Einen Zinssatz nahe null Prozent wie in den USA oder Großbritannien sehen die Währungshüter aber noch zu risikoreich an. So niedrige Zinsen könnten die Inflation beflügeln.

Aktuell sind steigende Preise kein Problem. Die Volkswirte der EZB rechnen für 2009 mit einer durchschnittlichen Teuerungsrate von 0,4 Prozent im Euro-Raum. Trotz bereits massiver Zinssenkungen in den vergangenen Monaten ist kein Aufschwung in Sicht. Bis in das nächste Jahr hinein sehen die Ökonomen der EZB für die Wirtschaft in der Euro-Zone schwarz. Die Wirtschaftsleistung wird auch im kommenden Jahr nicht wachsen.

"Ich hätte mir gewünscht, dass die EZB die Zinsen schon früher aggressiver gesenkt hätte", sagt Kai Carstensen vom Ifo-Institut dem Abendblatt. "Die EZB ist zu zögerlich", sagt auch Gustav Horn, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Die Währungshüter hätten den Zinssatz bereits Ende des vergangenen Jahres auf ein Prozent senken sollen.

Nach Carstensens Einschätzung haben die Kreditprobleme deutlich zugenommen. "Vor allem bei großen Unternehmen und hohen Kreditbeträgen halten sich die Banken zurück", sagt der Ifo-Experte. Auch Trichet wies auf die weiter nachlassende Kreditvergabe durch die Banken hin. Die Experten rechnen allerdings nicht mit schnellen, durchschlagenden Erfolgen für die Konjunktur durch die Zinssenkung. "Die Banken haben genug eigene Probleme, weil sie weitere Abschreibungen fürchten", sagt Jochen Intelmann von der Hamburger Sparkasse. Er geht deshalb davon aus, dass mit der Zinssenkung eher ein weiterer Anstieg der Kreditzinsen verhindert wird. Auch Carstensen erwartet, dass sich durch die Zinssenkung vor allem die Liquidität der Banken günstiger darstellt. "Wir dürfen durch die Zinssenkung keine Wunder erwarten", sagt Carstensen. Schon Anfang April oder Mai könnte die EZB die Zinsen erneut senken. "Wir sehen noch Spielraum bis ein Prozent", sagt Intelmann.

Sparer müssen sich deshalb beeilen, wenn sie Geld anlegen wollen. "Die Banken werden bei den Einlagen die Zinssenkung schnell weitergeben", sagt Max Herbst von der Frankfurter Finanzberatung FMH. Für Kreditnehmer "tue sich dagegen nicht viel". Der Durchschnittszins für den Dispositionskredit liegt bei 12,08 Prozent.

Marcus Preu vom Verbraucherportal www.biallo.de rät, "Angebote sorgfältig zu vergleichen und dann schnell zu handeln". Festgeld lohne sich dabei mehr als Tagesgeld, bei dem die Zinsen schnell nach unten angepasst werden können. Etliche Banken haben bereits im Vorfeld der EZB-Entscheidung ihre Zinsen bei Sparanlagen gesenkt. So gibt es bei der Santander Consumer Bank für eine einjähriges Festgeld nur noch 3,50 Prozent statt 4,10 Prozent. Ende des Jahres lag der Zins noch bei über fünf Prozent. Bei der Comdirect sank der Zins für diesen Anlagezeitraum von zwei Prozent auf 1,80 Prozent.

Auch die britische Notenbank hat erneut den Leitzins gesenkt und zugleich einen Strategiewechsel im Kampf gegen die Wirtschaftskrise eingeläutet. Die Bank of England reduzierte den Zins um 0,5 Punkte auf den historischen Tiefstand von 0,5 Prozent. Gleichzeitig kündigte die Notenbank an, die Geldmenge in den kommenden drei Monaten um 75 Milliarden Pfund zu erhöhen, um das schwächelnde Kreditgeschäft wieder anzukurbeln.

Für den neuen Kurs in der Geldpolitik will die Bank of England Staatsanleihen und andere Anlagen von Banken kaufen, um so die Finanzmittel der Kreditinstitute aufzupolstern. Dieses zusätzliche Geld sollen die Banken dann an ihre Kunden für die dringend benötigen Kredite weitergeben. Vor solchen Methoden schreckt die EZB noch zurück.

Zinssenkungen der Notenbank gab es auch in Dänemark, das nicht zur Euro-Zone gehört. Die Notenbank senkte ihren Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf 2,25 Prozent.