Die heimliche Kontrolle von Angestellten durch Unternehmen ist ein zweischneidiges Schwert. Arbeitgeber sind berechtigt, strafbare Handlungen aufzuklären - müssen aber Persönlichkeitsrechte wahren. Professor Detlev Joost, Arbeitsrechtler an der Universität Hamburg, erklärt die Rechtslage.
Hamburg. Professor Joost, was darf ein Unternehmen?
Detlev Joost: Der Arbeitgeber ist berechtigt aufzuklären, ob in dem Unternehmen rechtswidrige Handlungen vorgenommen werden, vielleicht sogar strafbare Handlungen - ob es zum Beispiel zu Vermögensdelikten gegen den Arbeitgeber kommt oder auch gegenüber den anderen Arbeitnehmern. Aber: Es gibt Grenzen für die Ermittlungen und sie liegen insbesondere im allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer.
Und was ist illegal?
Joost: Das Bundesarbeitsgericht hat zum Beispiel entschieden, dass eine heimliche Videoaufnahme gegen das Persönlichkeitsrecht verstoßen kann, wenn sie unverhältnismäßig ist. Es bedarf also einer Aufklärung der genauen Tatsachen im Einzelfall und einer Abwägung der Interessen des Unternehmens und der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber muss insbesondere die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates beachten. Diese gibt es etwa bei der Anwendung oder Einführung von technischen Mitteln, die zur Überwachung des Verhaltens der Arbeitnehmer dienen. Wenn der Arbeitgeber dieses Mitbestimmungsrecht nicht beachtet, sind seine Maßnahmen ohnehin rechtswidrig.
Der Arbeitgeber muss also den Betriebsrat fragen, bevor er seine Mitarbeiter überwacht?
Joost: Ja, in der Tat. Wenn der Betriebsrat nicht zustimmt, kann gegebenenfalls eine betriebliche Einigungsstelle darüber entscheiden. Selbstverständlich muss der Arbeitgeber auch die allgemeinen Gesetze beachten, also etwa das Datenschutzgesetz, das Telefongeheimnis oder dergleichen mehr.
Wann würde ein Betriebsrat zustimmen?
Joost: Nehmen wir einmal an, dass in einem Unternehmen doch in sehr beträchtlichem Ausmaß ein Schwund stattfindet. Und der Arbeitgeber will dies aufklären. Dann wird sich der Betriebsrat dem nicht entziehen können. Denn es liegt im Interesse aller, dass so etwas aufgeklärt wird. Genauso kann es liegen, wenn das Unternehmen aufklären möchte, ob zum Beispiel Daten, die ja auch die Arbeitnehmer betreffen können, entwendet und auf dem Markt veräußert werden. Auch hier gibt es sicherlich ein sehr legitimes Interesse des Unternehmens dies aufzuklären. Das Unternehmen kann dazu sogar verpflichtet sein.
Im aktuellen Fall hält die Deutsche Bahn die heimliche Überprüfung von 173.000 Mitarbeitern für rechtens. Datenschutzbeauftragte sehen das anders. Wie kommt es zu solch unterschiedlichen Einschätzungen?
Joost: Das liegt daran, dass es einer Abwägung bedarf. Rechte werden nicht grenzenlos gegeben. Das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ist nicht grenzenlos, aber auch das Aufklärungsrecht des Arbeitgebers nicht. Insofern kann natürlich bei der notwendigen Abwägung der eine zu dieser Einscheidung, der andere zu jener Entscheidung kommen. Man muss dazu die konkreten Umstände sehr genau kennen. Man muss wissen, wie schwer der Vorgang wiegt, den der Arbeitgeber aufklären möchte.
Welche Strafe erwartet ein Unternehmen, das seine Mitarbeiter illegal kontrolliert?
Joost: Es kommt darauf an, ob ein konkreter Straftatbestand, der sich auch aus dem Datenschutzrecht ergeben könnte, verletzt ist oder nicht. Die Strafen sind entweder Geldstrafen oder Freiheitsstrafen.
Lidl, Telekom, Hewlett-Packard, die Bahn - in jüngster Zeit häufen sich Meldungen über Bespitzelung von Mitarbeitern...
Joost: Es fällt in der Tat auf, dass wir in der neuesten Zeit eine Häufung solcher Vorgänge haben. Vielleicht ist es so, dass es früher genauso gemacht wurde, aber nicht an die Öffentlichkeit gekommen ist. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass eine stärkere Sensibilität in den Unternehmen gegeben ist, im Hinblick auf die Aufklärung solcher Dinge.