Ifo sieht nur kurzfristige Entspannung, Oxford-Professor Fuest warnt vor Aufweichung der Sparauflagen und Krisenökonom Otte rät zur geordneten Insolvenz.

Berlin/München. Der Wahlsieg der Euro-Befürworter beruhigt die Lage in Griechenland nach Ansicht führender Wirtschaftsforscher nur vorübergehend. Die Probleme sind nicht gelöst, sagte Ökonom Clemens Fuest am Montag nach der Wahl. Das Ergebnis der Neuwahlen bringe nur „kurzfristig eine Entspannung“, erklärte Ifo-Konjunkturchef Kai Carstensen. „Anspannung und Turbulenzen an den Finanzmärkten dürften rasch wiederkommen.“

Die ökonomischen Probleme des Landes seien in keiner Weise gelöst, sagte der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), Thomas Straubhaar. Nach wie vor gebe es zahlreiche Unsicherheiten. Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, sprach von einer „stimmungsmäßigen Entlastung“. Mit dem Wahlsieg der konservativen Neue Demokratie (ND), die ein proeuropäisches Bündnis anstrebt, sei „Druck aus dem Karton“. Aber Griechenland stehe „ein mühsamer Weg bevor“.

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Der Ökonom und Fondsmanager Max Otte hält einen Euro-Austritt des Landes für unvermeidbar. „Ein geordnetes Insolvenzverfahren, das brauchen wir.“ Ein Verbleib der Griechen im Euro nutze nur der Polit-Elite und der Finanz-Oligarchie, sagte der Ökonom, der bereits 2006 die Finanzkrise vorhersagte. Wenn Athen die Drachme einführe, sei nicht mit großen Problemen für den Rest der Welt zu rechnen.

Straubhaar rät der künftigen Regierung, von der „Kriegsrhetorik abzurücken“, die Deutschland und andere Euroländer „als Gegner verurteilten“. Athen müsse die „weiße Fahne hissen“ und die Bereitschaft zeigen, die Probleme gemeinsam mit Brüssel zu lösen. Die EU solle dies dann akzeptieren und im Gegenzug Griechenland die Fristen zur Umsetzung der Sparmaßnahmen verlängern.

Oxford-Professor Fuest, der auch die Bundesregierung berät, mahnte Griechenland zu mehr Anstrengungen. Der Reformprozess müsse unverändert fortgesetzt werden. Vor einer Aufweichung der Sparauflagen für das Land warnte Fuest. Die Politik und die Finanzinstitute machten das Land auf Dauer abhängig, wenn sie die Hilfen großzügiger gestalteten.

„Wenn die Anpassung hin zu mehr Wettbewerbsfähigkeit nicht gelingt, hat das Land keine Zukunft in der Eurozone“, sagte Fuest. Ähnlich wie Carstensen plädiert er für niedrigere Einkommen und Preise. „Wenn die Löhne und andere Kosten sinken, dann kommen Unternehmer auf Ideen“, erklärte Fuest. Er gab sich überzeugt, dass der Umbruch gelingen kann. „Jedes Land hat etwas anzubieten“, sagte der Regierungsberater. „Griechenland hat tolle Orte, an denen man Urlaub machen kann. Aber auch Industrien, etwa im Logistikbereich.“

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Carstensen sieht mögliche Investitionsprogramme der Europäischen Union kritisch an. „Ich halte es für ganz schwierig, wenn sich Politiker in Brüssel zusammensetzen und sagen: 'Wir müssen Branchen A, B und C fördern.'“ Das müsste dezentral in Griechenland passieren. „Denn Planwirtschaft funktioniert ja – wie wir wissen - nicht.“

Auch der Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Ferdinand Fichtner, sagte, die Griechen müssten selbst identifizieren, „wo zukunftsfähige Branchen liegen“. Dies müssten Unternehmer und Investoren in der Region tun. Die Schuldenkrise wird auch nach seinen Worten noch länger dauern. „Aber ich bin ganz zuversichtlich, dass sie auf der Schwel- und Brodelstufe zu kontrollieren ist.“ (dapd/abendblatt.de)