Angela Merkels Mannschaft schrumpft. Dort spielen jene, die keine gemeinsame europäische Haftung für Staatsschulden wollen.
Hamburg. Eine Mannschaft mit hochkarätigen Spielern im Kampf gegen die Euro- und Schuldenkrise bekommt Angela Merkel (CDU) - Kanzlerin und Kapitänin - nicht mehr zusammen. In Frankreich wurde mit dem abgewählten Präsidenten Nicolas Sarkozy ihr wichtigster Verbündeter aus dem Spiel genommen. Die Deutsche gab Milliarden für die Rettungsschirme, der Franzose machte sich im Gegenzug für den Fiskalpakt stark, der den Europäern strenge Schuldenregeln diktiert. Inzwischen sammeln sich immer mehr europäische Politiker hinter Merkels Gegenspieler, dem französischen Präsidenten François Hollande. Der fordert Euro-Bonds und Wachstumspakete. Die Kanzlerin steht unter Druck. Außerdem auf dem Spielfeld:
Jens Weidmann, Bundesbank
Lange Zeit war Jens Weidmann, der Präsident der Bundesbank, Merkels Berater, wenn es um die Taktik bei der Krisenbekämpfung geht. Er war der Leiter der Finanz- und Wirtschaftsabteilung im Kanzleramt, bis er vor gut einem Jahr den Chefposten bei der Bundesbank übernahm. Auch heute noch legt Merkel Wert auf seinen Rat. Zumal die Grundüberzeugungen der beiden gleich sind: Euro-Bonds helfen nicht aus der Krise, betonen sie. Stattdessen müssen die Südeuropäer mehr sparen und vor allem mit Reformen ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern. Zu Konflikten kann es zwischen Merkel und Weidmann jedoch bei der Geldpolitik kommen: Der Bundesbanker pocht darauf, dass die Europäische Zentralbank (EZB) nicht als dauerhafte Krisenfeuerwehr eingesetzt wird.
+++ Griechen-Wahl: Notenbanken bereiten sich auf Euro-Beben vor +++
Donald Tusk, polnischer Premier
Donald Tusk spielt im Team Merkel, auch wenn Polen kein Mitglied im Euro-Klub ist. Mit ehrgeizigen Reformen und eisernem Sparen bereitet der Premierminister, der fließend Deutsch spricht, Polen unverdrossen auf den Beitritt zur Währungsunion vor. Das ist das große politische Projekt des liberalen Konservativen.
François Hollande, Frankreichs Präsident
Der Franzose François Hollande ist ein Gegenspieler der deutschen Kanzlerin. Frankreichs Präsident hat Euro-Bonds bei seinem ersten Gipfel in Brüssel zum Thema gemacht. Er ist dafür, versteht sich, und wird nicht davon lassen, für sie zu werben, wie er sagte. "Gerechtigkeit" dient ihm als bessere Begründung denn ökonomische oder gar staatsrechtliche Überlegungen: Zwar verbieten die europäischen Verträge die gemeinschaftliche Haftung, aber Spanien müsse geholfen werden, Italien gleich mit, denn den Bürgern seien die hohen Zinsen nicht vermittelbar, die Investoren ihren Staaten abverlangen. Die Hoffnung, der Sozialist werde sich schon einfangen lassen, wenn erst die zweite französische Wahl, die zur Nationalversammlung, am kommenden Sonntag um sei, bleibt.
José Manuel Barroso, EU-Kommission
José Manuel Barroso, der EU-Kommissionspräsident, spielt an der Seite von François Hollande. Euro-Bonds sind eine seiner liebsten Ideen, um der Krise in Europa Herr zu werden. Die könnten zwar erst "später" kommen, sagt er, und auch aus Rücksicht auf Berlin hat er auf eine Gesetzesinitiative bislang noch verzichtet. Aber sprechen müsse man heute schon darüber: Was Europa brauche, sei "eine ernsthafte Diskussion über die Vergemeinschaftung nationaler Schulden in Form von Stabilitätsbonds". Eine engere Verflechtung ist es, was Barroso sich wünscht, weil er der Überzeugung ist, dass mehr Europa die Krise eher behebt als weniger Europa. Also soll mehr in Brüssel entschieden werden und weniger in den Hauptstädten, also soll die EU ihren Haushalt aufstocken, soll das Füllhorn der Fördermittel weiter ausgeschüttet werden über den benachteiligten Regionen im Süden des Kontinents.
Mario Monti, Italiens Premier
Mario Monti ist als Partner und Gewährsmann für Hollande ideal. Der Italiener ist Ökonomieprofessor, ehemaliger EU-Kommissar, burleske Lebensfreude à la Berlusconi käme ihm ebenso wenig in den Sinn wie linke Träumerei vom allmächtigen Staat und europäischer Einbahnsolidarität. Monti trat im November mit einem ehrgeizigen Reformprogramm sein Amt an und versprach, Italien zu sanieren. Nun hakt das Projekt, weil die alten Parteien ihren Eigensinn wiederentdecken, weil Gewerkschaften und Arbeitgeber sich bekriegen.
+++ Grenzen der Solidarität +++
Mariano Rajoy, Spaniens Premier
Erst hatten die Spanier den Eindruck, ihr konservativer Premier Mariano Rajoy zierte sich und möchte nicht verkünden, was er vorhatte. Er ließ sich Zeit damit, Hilfe für sein Land zu beantragen, bis es vergangenes Wochenende nicht mehr anders ging. Bis heute mag er nicht zugeben, dass Spanien nicht nur ein Problem mit maroden Banken hat, sondern auch mit hoch verschuldeten Regionen.
Martin Schulz, EU-Parlamentschef
Der Deutsche Martin Schulz, EU-Parlamentspräsident, verhilft dem Gremium zu einer Präsenz, von der viele Abgeordnete lange nur träumen konnten. Nur in der größten Fraktion, bei den Konservativen, grummeln sie über den Preis der Aufmerksamkeit: dass SPD-Mann Schulz als Parlamentspräsident nämlich auch SPD-Politik macht. Dabei sind Euro-Bonds und eine weitere Vertiefung der europäischen Integration im Parlament weitaus nicht so umstritten wie in den einzelnen Mitgliedstaaten. Erst in dieser Woche verabschiedete das Hohe Haus in Straßburg auch mit den Stimmen der Mehrheit der konservativen EVP die Forderung nach einer Vergemeinschaftung der Schulden. Die deutschen Unions-abgeordneten stimmten erfolglos dagegen.
+++ Was wäre, wenn ... +++
Barack Obama, US-Präsident
Barack Obama lobt zwar Angela Merkel immer wieder für ihre "Wachstums-Agenda". Doch in Wahrheit hält Obama vom deutschen Krisenmanagement wenig und drängt Europa zu fundamentalen Kurskorrekturen: Der US-Präsident gehört ins Lager derjenigen, die den harten Konsolidierungskurs wieder verlassen möchten und überzeugt sind, dass die Krise mit mehr Geld zu lösen ist.
Christine Lagarde, IWF-Chefin
Christine Lagarde, Chefin des Weltwährungsfonds, ist in Berlin hoch angesehen. Die Intelligenz und das Charisma der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) werden in der Bundesregierung geschätzt. Politisch liegen Lagarde und Merkel allerdings in so jeder Frage über Kreuz. Der IWF fürchtet, dass sich Europa zu Tode spart. Die drakonischen Sparprogramme würgen die Konjunktur in den Peripherie-Staaten ab, meint Lagarde. Neben Strukturreformen sei aber Wachstum entscheidend, um die Krise zu überwinden. Der Fonds will deshalb die Sparprogramme lockern. Gleichzeitig fordert der IWF, Deutschland müsse sich höher verschulden, um über höhere Ausgaben die Konjunktur in Europa anzuheizen. Eine Idee, die die Bundesregierung gar nicht lustig findet. Am meisten ärgert man sich aber in Berlin über die Forderung des IWF nach Euro-Bonds.
Jean-Claude Juncker, Euro-Gruppe
Jean-Claude Juncker, der Chef der Euro-Gruppe, kämpft für Europa, so würde er das sagen. Er ist der dienstälteste Regierungschef in der Euro-Runde, einer, der noch mit Helmut Kohl am Verhandlungstisch saß und Europa als in jeder Hinsicht unumkehrbar ansieht: vorwärts muss es gehen, und das heißt für Juncker hin zu tieferer Integration. Juncker kämpft auch gegen seine Angst, das sagt er ebenso: gegen die Angst vor den unkalkulierbaren Folgen eines Euro-Austritts Griechenlands. Er will die Euro-Zone zusammenhalten.
Auch noch auf dem Spielfeld
Auf Merkels Seite spielen außerdem: Jyrki Katainen, Finnlands Premier, der seinen Landsleuten nicht zumuten will, für andere zu zahlen; Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo), der eine harte Anti-Schulden-Linie vertritt. Auf Hollandes Seite: der niederländische Premierminister Mark Rutte, Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann, Robert Zoellick, Präsident der Weltbank. (jhi)