Kanzlerin Merkel verschiebt Abflug zum G20-Gipfel in Mexiko. EZB will bei Währungsturbulenzen sofort eingreifen
Hamburg/Athen. Europa hält den Atem an. Regierungen und Notenbanken wappnen sich vor der Schicksalswahl in Griechenland für ein mögliches Beben an den internationalen Finanzmärkten. Weltweit stehen am Sonntagabend die Notenbanken für ein schnelles Eingreifen bereit, falls es nach einem Wahlsieg der Spargegner in Athen noch in der Nacht zu globalen Währungsturbulenzen kommen sollte. Griechenland stünde dann voraussichtlich vor dem Euro-Aus. Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, sagte am Freitag: "Das Euro-System wird weiter Liquidität an kreditwürdige Banken bereitstellen, wenn das notwendig ist."
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verschob ihre Abreise zum G20-Treffen in Mexiko auf den späten Sonntagabend, womit sich Gelegenheit zur Abstimmung mit anderen Regierungschefs über die Griechen-Wahl ergeben dürfte. "Die Bundeskanzlerin wird alle Großereignisse des Abends im Auge haben", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Dies gelte für sportliche und politische. Berichte, wonach sich die EU-Finanzminister am Sonntagabend zu einer ständigen Telefonkonferenz zusammenschalten, wurden in Berlin offiziell nicht bestätigt.
Letzte Umfragen sagen in Griechenland ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Befürwortern und Gegnern des Spar- und Reformkurses, den Konservativen und dem Bündnis der radikalen Linken (Syriza), voraus. Sollten die Spargegner siegen, blieben wohl neue EU-Finanzspritzen aus, das Land stünde vor der Pleite. Auch eine Rückkehr zur Drachme ist dann denkbar.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann warnte die EU davor, die Sparvorgaben an Griechenland aufzuweichen. Keinem Land dürfe es erlaubt werden, Europa zu erpressen, sagte er der griechischen Zeitung "Kathimerini".
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle drohte Athen mit dem Ausschluss aus der Euro-Zone, wenn das Land seinen Sparversprechen nicht nachkomme. "Ich glaube, es geht nicht anders, denn Verträge können nicht beliebig gebrochen werden", sagte er dem ZDF. Europa werde zur Lachveranstaltung, wenn die Griechen ihre Parlamentsbeschlüsse nicht einhalten. SPD-Chef Sigmar Gabriel warnte dagegen vor einem Euro-Austritt Griechenlands. Es gebe eine "Ansteckungsgefahr" für Spanien und Italien. "Diese Kettenreaktion kann die EU in eine existenzielle Situation bringen", sagte Gabriel gegenüber "Spiegel Online".
Auch in der Bevölkerung wächst die Sorge, dass sich die Krise in Griechenland zu einer Krise des gesamten Euro-Raumes ausweiten könnte. Laut ZDF-"Politbarometer" haben 39 Prozent der Deutschen Angst um ihre Ersparnisse.
An den Geldmärkten dagegen sorgte die Zusicherung der EZB, notfalls schnell einzugreifen, zumindest kurzfristig für eine Beruhigung. Der deutsche Leitindex DAX schloss Freitag mit plus 1,48 Prozent bei 6229,41 Punkten.