Deutsche Steuerzahler sollen Euro-Schuldenkrise lösen. So kann es nicht funktionieren.
In diesen Tagen ist Angela Merkel die einsamste Frau der Welt. Auf allen Krisengipfeln und Kanälen, in Kommentaren und Kommuniqués schallt der Kanzlerin entgegen, sie solle sich endlich von der "Austeritätspolitik" verabschieden. Im Klartext heißt das: Fortan soll weniger gespart werden, die Schulden sollten etwa durch Eurobonds vergemeinschaftet werden.
US-Präsident Barack Obama und der britische Premier David Cameron appellierten gemeinsam an Angela Merkel und forderten einen "sofortigen Plan zur Lösung der Krise und zur Wiederherstellung des Vertrauens an den Märkten". Obama fürchtet um seine Wiederwahl, sollte die Euro-Krise eskalieren - und Cameron hat Angst um seine Wirtschaft und das Wohl der britischen Finanzindustrie. Frankreichs Präsident François Hollande, der seinem Wahlvolk Wohltaten verspricht, benötigt einen Finanzier. Und den südeuropäischen Krisenstaaten wiederum, die mit Arbeitslosenquoten von weit über 20 Prozent und dramatischen Konjunktureinbrüchen zu kämpfen haben, steht das Wasser bis zum Hals.
Alle diese Politiker verfolgen Interessen - wie auch Angela Merkel. Sie ist dem deutschen Steuerzahler verpflichtet und muss gegen Hilfe Zugeständnisse einfordern. Natürlich wird sich Deutschland bewegen müssen - aber eben nicht allein. Warum beispielsweise sollen die Deutschen, die bald bis ins Alter von 67 Jahren arbeiten, für Franzosen haften, die das Rentenalter wieder Richtung 60 senken wollen? Und warum, so hat es der Banker Hilmar Kopper formuliert, sollten "brave deutsche Steuerzahler für Gelder haften, die in Länder gepumpt werden, deren reiche Bürger es dann wieder rausschleppen"? Und, weil wir gerade dabei sind, warum verhindern Obama und Cameron eigentlich, dass endlich weltweit konsequent gegen die Krisentreiber - Schattenbanken, Hedgefonds und Kreditderivate - vorgegangen wird? Vor lauter Aufregung um den Euro sollte man eine Frage nicht vergessen: Cui bono? Wem nützt es? In dem Milliardenspiel um den Euro gibt es viele Verlierer, aber eben auch Gewinner. Zocker, die etwa von Staatspleiten profitieren. Wer auf die Deutschen als Problem der Euro-Zone zeigt, lenkt von diesen Hintergründen ab.
Natürlich hat Angela Merkel in den vergangenen Monaten Fehler gemacht. Tatsächlich würgt das Spartempo in vielen Ländern die Konjunktur ab und setzt eine Abwärtsspirale in Gang. Ihre Forderung, private Gläubiger am Schuldenschnitt Griechenlands zu beteiligen, war zwar in der Sache richtig, wirkte sich aber an den Märkten verheerend aus.
Doch in dieser Krise der Währungsunion ohne Beispiel gibt es keine Handlungsmuster. Merkel hat vieles richtig gemacht. Sie ist eben nicht der abstrusen Idee verfallen, eine Staatsschuldenkrise sei mit noch mehr Schulden zu lösen. Hätte sie sämtliche Wünsche der schlingernden Staaten sofort erfüllt, wären dort keinerlei Reformen in Gang gesetzt worden.
Deshalb gilt es auch jetzt, hart zu bleiben. Es wäre ein fatales Signal, wenn man etwa vor den Linksradikalen, sollten sie in Griechenland gewinnen, einknicken würde. Wie will man das Slowaken erklären, die weniger besitzen und trotzdem für die Griechen zahlen? Wie will man das Portugiesen oder Iren erklären, die ohne großes Murren oder Linksruck harte Sparauflagen akzeptiert haben? Und wie will man das den Deutschen erklären, die ein Jahrzehnt schmerzhafter Anpassungen hinter sich haben? Angela Merkel wird sich in diesen einsamen Tagen an ihren Eid erinnern: "Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde."