Offenbar aus Angst vor dem Austritt aus der Gemeinschaftswährung heben Griechen ihre Euro-Ersparnisse von den Banken ab.

Athen. In der griechischen Bevölkerung wächst offenbar die Angst vor einem Austritt aus der Gemeinschaftswährung. Die Bürger hoben zuletzt verstärkt Geld von den Banken ab, um ihre Euro-Ersparnisse zu retten. Präsident Karolos Papoulias äußerte die Sorge, dass es zu einem Ansturm auf die Bankschalter kommen könnte. Das ging am Mittwoch aus Protokollen der Verhandlungen hervor, die Papoulias zuletzt mit den Parteichefs über eine Regierungsbildung führte. Darin verwies der Präsident auf warnende Äußerungen von Notenbank-Chef Giorgos Provopoulos. "Herr Provopoulos sagte mir, es gebe keine Panik, aber es gebe eine große Angst, die sich zu einer Panik entwickeln könne“, wurde Papoulias zitiert.

Die Spitzen der griechischen Parteien wollen ab Mittag mit dem Präsidenten über die Bildung einer Übergangsregierung beraten. Diese ist notwendig geworden, weil nach der Parlamentswahl am 6. Mai alle Versuche einer Regierungsbildung scheiterten. Daher soll es zu Neuwahlen kommen, voraussichtlich Mitte Juni. Unter den europäischen Partnern und an den Finanzmärkten wachsen nun die Befürchtungen, dass dann die Kritiker des Sparkurses die Oberhand gewinnen und Griechenland in die Staatspleite und zum Euro-Austritt führen. Diese Gefahr drückte auch am Mittwoch die Aktien in Europa und Asien sowie den Euro. Die Kurse der Staatsanleihen Spaniens und Italiens gerieten weiter unter Druck.

Börsianern zufolge könnte nur eine rasche und machtvolle Reaktion der europäischen Regierungen die Angst vor einem Übergreifen der griechischen Krise auf andere Länder stoppen. "Das ist eine Frage des politischen Willens“, sagte Michala Marcussen von Societe Generale. „Die direkten Kosten eines Euro-Austritts wären hoch für Griechenland, aber zu bewältigen für den Rest der Euro-Zone. Unsere Sorge sind die Ansteckungsgefahren.“

EZB will Hellas-Banken nicht hängenlassen

Papoulias sagte dem Gesprächsprotokoll zufolge, allein am Montag seien aus den Geldhäusern nach Schätzung der Notenbank bis zu 800 Millionen Euro abgezogen worden. Aus zwei griechischen Banken verlautete, die Abflüsse am Dienstag hätten in etwa dasselbe Niveau erreicht. Sollte die künftige Regierung etwa die Drachme wiedereinführen, würde ein rapider Wertverlust der Bankeinlagen drohen. Die Griechen ziehen seit Jahren zwar kontinuierlich Geld aus den Kreditinstituten ab. Schlangen vor den Bankschaltern in Athen waren bislang aber nicht zu sehen. Doch Abflüsse in der genannten Höhe binnen zwei Tagen sind ungewöhnlich hoch. Ein hochrangiger Bankmanager betonte, es gebe bislang keine Anzeichen einer Panik wie im April 2010 vor dem ersten Rettungspaket für Griechenland. Nach Notenbank-Daten summierten sich die Bankeinlagen von Firmen und Verbrauchern Ende März auf 165 Milliarden Euro. Das sind 72 Milliarden weniger als im Januar 2010. Experten zufolge kommen zur Kapitalflucht die Folgen der Wirtschaftsschwäche hinzu, die zahlreiche Griechen zum Aufzehren ihrer Ersparnisse zwingt.

Ein Sprecher der Europäischen Zentralbank (EZB) stellte den griechischen Banken weiter Unterstützung in Aussicht. Er widersprach damit einem Bericht der niederländischen Zeitung „Het Financieele Dagblad“. Darin hieß es, die EZB sei zu der Überzeugung gekommen, dass die Institute in einem zu schlechten Zustand seien, um weiterhin Geld aus Frankfurt zu bekommen.

Hollande, die große Hoffnung

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nannte Spekulationen über einen Abschied des Schuldensünders aus dem Euro wenig hilfreich. Die Entscheidung liege ganz und gar beim griechischen Volk, sagte er im Deutschlandfunk. Neuverhandlungen über die Sparzusagen schloss Schäuble erneut aus.

Dagegen gehen viele Griechen weiter davon aus, dass das Land seine Vereinbarungen aufkündigen und trotzdem im Währungsraum bleiben kann. Das verspricht insbesondere das radikale Linksbündnis Syriza, das nach seinem Überraschungserfolg bei den Wahlen Anfang des Monats in Meinungsumfragen vorne liegt. Die Hoffnungen ruhen auch auf dem neuen französischen Präsidenten Francois Hollande, der sich für neue Konjunkturimpulse starkmacht. „Ich hoffe, dass wir den Griechen sagen können, dass Europa zu zusätzlichen Maßnahmen zur Ankurbelung des Wachstums und Unterstützung der Wirtschaftsaktivität bereit ist, so dass es in Griechenland eine Rückkehr des Wachstums gibt“, sagte Hollande am Dienstagabend nach seinem ersten Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dagegen bekräftigte Schäuble, kurzfristig angelegte „Strohfeuerprogramme“ seien abzulehnen. (abendblatt.de/rtr)