Die Quoten haben gestimmt, der Unterhaltungswert auch. Doch Raab wäre nicht Raab wenn er sich damit zufrieden geben würde.
Köln. Als Stefan Raab mit seiner schwarzen Kriegsbemalung unter den Augen, dem gewohnt breiten Grinsen und dem Goldenen Bowlingschuh für den besten Torschützen im Arm durch die proppevolle Kölnarena blickte, hatte er einen Traum. «Irgendwann in 15 Jahren gibt es eine Eisfußball-Liga», sagte der Entertainer: «Und ich bin der Liga-Präsident.»
Wieder einmal hat Tausendsassa Raab eine neue Sportart erfunden. Nach Wok-WM und Autoball-EM heißt seine neuste Schöpfung nun «Deutscher Eisfußball Pokal». Eine Mischung aus Fußball, Eishockey und Rugby, bei der der Grad zwischen Lächerlichkeit und ernsthaftem Sport mal wieder sehr schmal ist.
Wenn ehemalige Fußball-Profis wie Thomas Helmer und prominente Fans wie Olli Dittrich auf glattbesohlten Bowlingschuhen unbeholfen übers Eis stolpern, Comedy-Moppel Axel Stein die TV-Moderatorin Charlotte Engelhardt unsensibel abgrätscht oder Fußball-Trainer Rudi Bommer mit Koch Tim Mälzer eine Jux-Schlägerei anfängt, tobt das Publikum.
Ehrgeizling Raab sieht das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. «Es beginnt immer mit Ironie», sagt er zu Spiegel online: «Aber eine Parodie trägt nicht den ganzen Abend, deshalb muss es eine anständige Wettkampfveranstaltung sein.» In 20 Jahren werde Wok-Fahren kein Funsport mehr sein, behauptet er. Und jede Einführung einer neuen Sportart habe zunächst lächerlich geklungen. Beim Basketball habe schließlich auch jemand eine Sportart erfunden, bei der Körbe wie Mülleimer an einem Brett hingen und man Bälle reinwerfen müsse.
Immerhin: Raab lockte bei der Premiere mehr Zuschauer in die Arena (18.000) als ein durchschnittliches Bundesliga-Heimspiel von Energie Cottbus und fünfmal so viele vor den Fernseher (2,24 Millionen) wie das gleichzeitig ausgetragene Relegationsspiel zwischen dem Fußball-Drittligisten SC Paderborn und Zweitligist VfL Osnabrück. Es waren aber wohl eher die Zuschauer, die sich gegen den Sport als Abendunterhaltung entschieden.
Als Raab 2001 erstmals Sport als Event betrieb, bescherte er seinem Haussender Pro Sieben den Rekord-Marktanteil von 73,5 Prozent. Box-Weltmeisterin Regina Hallmich verprügelte die «Killerplauze» damals ordentlich, brach ihm sogar die Nase und Raab hatte künftig keine Lust mehr, alleine die Lachnummer zu sein. Also erfand er Sportarten. Die Logik klang einfach: Alle starten bei Null, und Raab trainiert vorher heimlich, um der Beste zu sein.
Doch am Ende stehen ihm immer wieder «echte» Sportler im Weg. Beim Eisfußball war es der für St. Pauli spielende «Handball-Punk» Stefan Kretzschmar, der beim Elfmeterschießen im Halbfinale gegen Raabs 1. FC Köln alle drei Schüsse hielt und den einzigen verwandelte. Am Ende reckte Fußball-Weltmeister Guido Buchwald für den VfB Stuttgart den Pott in die Höhe.
Für den HSV war bereits in der Vorrunde schluss. Beim Auftaktderby gegen den FC St. Pauli reichte es noch zu einem 1:1-Unentschieden, die Partie gegen den späteren Champion aus Stuttgart ging mit 0:1 verloren. Aufgrund des "Skandalspiels" zwischen St. Pauli und dem VfB, die sich ohne Angriffsbemühungen 0:0 trennten und somit beide vorzeitig als Halbfinalteilnehmer feststanden, hatte die 2:3-Niederlage gegen Eintracht Frankfurt nur noch statistischen Wert.
Das HSV-Team wurde von den ehemaligen Größen Sergei Barbarez, Harald "Lumpi" Spörl und dem wie aufgedreht agierenden Erik Meijer angeführt. Promi-Fans wie Olli Dittrich und Tim Mälzer ergänzten die Truppe.
Beim FC St.Pauli durfte neben Stefan Kretzschmar auch Superfan Elton nicht fehlen, der sich durch eine frühe Verletzung nicht stoppen ließ. Mit Martin Driller, Michel Mazingu-Dinzey und Benny Adrion hatten die Kiez-Kicker ebenfalls einige Ehemalige reaktivieren können. Im Endspiel gegen den VfB Stuttgart unterlagen die Hamburger jedoch mit 0:1.
Eigentlich hatte die Eisfußball-Premiere alles, was auch Fußball zu bieten hat. Es gab Seitfallzieher, Flugkopfbälle und Hackentricks, die Fans auf der Tribüne nahmen die Sache erstaunlich ernst, und zweimal mussten sogar Flitzer durch Sicherheitskräfte vom Eis geführt werden. Das Problem: Die B-Promis hingen sich rein, waren aber meist zu unkoordiniert. Und bei den ehemaligen Fußball-Profis war die Angst, sich zu blamieren, höher als der sportliche Ehrgeiz.
Mario Basler, lauffaul wie in alten Zeiten, blieb ihm Tor stehen und wollte danach «erstmal ein Weißbier». So war es für den jeden der Tanz auf fremden Terrain: Die Showstars sahen es als Sport, die Sportstars als Show.
Raabs Ehrgeiz in allen Ehren: Am Freitag bot er ein kleines bisschen Sport, in erster Linie aber einfach nur Entertainment mit Höhen und Tiefen. Nett anzusehen, aber von geringer Halbwertzeit. Und den sportlichen Sieg konnte er auch nicht planen. Aber irgendwann wird er schon noch etwas erfinden, worin er unschlagbar ist