Ohne den ehemaligen Sidekick von „Der Preis ist heiß“ müsste der Kölner Privatsender vermutlich über einen noch größeren Zuschauerverlust für sein Dschungel-Format klagen als ohnehin schon.
Berlin. Mike Krüger kommt im Dschungel zurzeit häufig zu Ehren. Mike Krüger? Sein Hit „Mein Gott, Walther“ von 1975 wurde den Waltern und Walthern dieser Welt immer wieder um die Ohren gehauen. Der neueste Missbrauch findet derzeit im australischen Dschungel statt. Im Falle von Walter Freiwald, dem 60-jährigen ehemaligen Teleshopping-Verkäufer, stöhnen viele Zuschauer der RTL-Sause „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ zu Recht: „Mein Gott, Walter!“
Walter, als Tolkien-Sonderling „Gollum“ oder „fossiler Low-Performer“ verspottet, ist in den ersten Tagen der RTL-Show vermutlich der häufigste Grund, warum die Zuschauer einschalten: Sein Toilettengang, bei dem er blank zog, sollte das Publikum schockieren, sein Aufschrei nach der Quallenberührung amüsierte die Dschungel-Fans ebenso wie sein Fernduell mit dem Ex-Kollegen Harry Wijnvoord, der früher wie Freiwald die Show „Der Preis ist heiß“ moderierte. Wijnvoord wolle ihm immer die „Wurst vom Brot“ nehmen, klagte Freiwald, als „Mann am Abgrund“ bezeichnete Wijnvoord ihn in einer Retourkutsche.
So unbeholfen, so ungeschickt er sich anstellt – Freiwald ist für RTL bares Geld wert, denn die Zuschauerzahlen haben sich bei sechs bis sieben Millionen eingependelt. Das sind dennoch rund eine Million weniger als bei der Staffel im Vorjahr. Aber wo stünde die Show ohne Walter? Kritiker sehen in der neunten Staffel beim RTL-Paradepferd so allmählich Verschleißerscheinungen: Der Verzehr von Hirn, Hoden und Fischaugen und der damit einhergehende Brechreiz eines erloschenen Seriensternchens hätten sich über die Jahre abgenutzt, meinte „Zeit online“. „Der Voyeur in uns ist längst gesättigt und hat sich an bizarre Fütterungen gewöhnt wie das Kind an den Spinat.“
Auch rund um Walter, der den Part des grantelnden Alten einnimmt wie einst Winfried Glatzeder oder Helmut Berger, sind ein paar Kandidaten wieder in die notwendigen Rollen geschlüpft, um Erzählstoff für den Boulevard zu produzieren. Die Oberweite von Mitspielerin Tanja Tischewitsch (25) ist längst ein Thema. Mitspielerin Patricia Blanco (44), Robertos Tochter, trug zu diesem dschungelimmanenten Gossip bei, indem sie von ihrer Silikon-Einlage berichtete und darauf verwies, dass die ganze Pracht trotzdem wie echt aussehe. TV-Juror und Modespezialist Rolf Scheider (58) hatte Brillenprobleme, Sara Kulka schimpfte tv-gerecht darüber, dass sie drei Mal in die Dschungelprüfung musste und Übermann Aurelio Savina, Kandidat bei der „Bachelorette“, wurde dringend mal Babymachen empfohlen.
Routiniertes Zusammenspiel mit der „Bild“
Routiniert inszeniert RTL die Show, die Sprüche des bissigen Moderationsduos Sonja Zietlow und Daniel Hartwich sitzen. Auch das Zusammenspiel des Kölner Senders und Primus unter den Privatanbietern mit der Presse funktioniert gut. Die „Bild“-Zeitung veröffentlichte die eigentlich streng geheime Liste mit den Gagen der sogenannten Stars, die zwischen 45.000 und 130.000 Euro betragen sollen. Eine Mehr-Klassen-Gesellschaft im Dschungel. Und einen Favoriten für den tollen Titel des Dschungelkönigs (im Vorjahr vor es die Sächsin Melanie Müller) gibt es auch: Nach einer repräsentativen Befragung des Meinungsforschungsinstituts YouGov (Köln) müsste es Schauspieler Jörn Schlönvoigt (28) werden, auf den 29 Prozent tippten. Freiwald scheidet nach Meinung von 26 Prozent als erster im Dschungel aus.
Dort passiert täglich das alte Spielchen: Der Mensch muss sich gegen die Urkräfte der Natur durchsetzen: Gegen Kakerlaken, Maden, Echsen, Krebse, Spinnen und Schlangen – er muss Kotzfrucht trinken, Getier herunterwürgen und Buschschweinsperma runterkippen. RTL kümmert sich dabei nicht um die Appelle etwa der Tierrechts-Organisation PETA. Warum eigentlich nicht? „Da sich das Geschehen in Australien abspielt, ist über die deutsche Justiz kaum etwas zu erreichen“, sagt Peter Höffken, PETA-Fachreferent Tiere in der Unterhaltungsbranche. „Die ermittelt nur bei schweren Straftaten im Ausland. Darunter fällt Tierquälerei in der Regel nicht. In diesem Fall bleibt uns nur der Appell an den Sender und der Aufruf an die Zuschauer, sich bei RTL zu beschweren – dann würden die Programmverantwortlichen handeln.“