In die Solidaritäts-Kampagne mischt sich auch Angst vor der deutschen Debatte. Wie werden AfD und Pegida vom Attentat auf „Charlie Hebdo“ in Paris profitieren?
Paris/Berlin/Hamburg. Einen Tag nach dem barbarischen Attentat auf die Redaktion des französischen Satire-Blatts „Charlie Hebdo“ in Paris hat sich auch in Deutschland eine politische Debatte entwickelt. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) das gute Verhältnis zwischen Muslimen und Nichtmuslimen im Land betonte, kamen von der populistischen Alternative für Deutschland (AfD) verwirrende Töne. Gleichzeitig breitete sich die Solidaritäts-Kampagne (Je suis Charlie“ (Ich bin Charlie) immer weiter aus.
Merkel sagte: „Was das Verhältnis zwischen Muslimen und Nichtmuslimen in Deutschland anbelangt, so haben wir mit der großen Mehrheit der Muslime in Deutschland ein sehr gutes Verhältnis.“ Es gebe jedoch auch in Deutschland vereinzelte Kräfte, die sich Dschihadisten angeschlossen hätten.
Daher müssten die Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland entsprechend aufrecht erhalten werden, sagte die Kanzlerin nach einem Treffen mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk. „Wir tun alles, um Menschen jeden Glaubens, egal ob jüdischen, christlichen, muslimischen oder gar keinen Glaubens, in gleicher Weise als Bürgerinnen und Bürger Deutschlands zu schützen.“
Der katholische Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke ist entsetzt über den Terroranschlag auf die Pariser Satire-Redaktion „Charlie Hebdo“. Er erschrecke über Mord und Terror, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der in der Deutschen Bischofskonferenz für den interreligiösen Dialog zuständige Geistliche griff das Motto der weltweiten Solidaritätsaktion auf: „'Je suis Charlie' (Ich bin Charlie) – das muss jeder von uns sagen. Ich stehe an der Seite der Opfer, des Chefredakteurs und der Mitarbeitenden, nicht zuletzt der Polizisten. Ich stehe auf der Seite der Freiheit der Gedanken und des Wortes.“
Natürlich kämen jetzt Emotionen hoch angesichts der „Fratze von Gewalt und Verbrechen“, sagte Jaschke. Aber gerade die Kirche müsse vor einem „Aufschaukeln“ und einer Emotionalisierung zum Zweck parteipolitischer Interessen warnen. Islamisten bildeten „eine verschwindend kleine, aber gefährliche und bedrohliche Gruppe“; sie dürften nicht für die Muslime in Deutschland stehen.
„Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten“
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) verurteilte den Anschlag als „abscheuliches Verbrechen“. Er sei zutiefst betroffen über den menschenverachtenden Angriff, sagte der stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende Jochen Bohl dem epd.
Papst Franziskus rief dazu auf, „sich mit allen Mitteln der Verbreitung des Hasses und jeder Form von Gewalt zu widersetzen“. Das Leben und die Würde aller Menschen verdienten entschiedenen Schutz..
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) warnte vor „populistischen Brandstiftern“ in Deutschland. „Terroristische Anschläge haben nichts mit dem Islam zu tun.“ Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) unterstrich: „Einen Kampf der Kulturen dürfen wir nicht zulassen.“ Gewerkschaften und Migrantenverbände befürchten, der Anschlag könnte „Wasser auf die Mühlen“ von Rechtspopulisten sein.
„Widerlich, wie AfD und Pegida das instrumentalisieren“
Maas beklagte, die Art und Weise wie „Pegida“, die Partei Alternative für Deutschland (AfD) und die NPD versuchten, diesen Anschlag für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, sei widerlich. Unter anderem waren Aussagen von AfD-Vize Alexander Gauland auf heftige Kritik gestoßen, der den Anschlag als Rechtfertigung für die Anti-Islam-Proteste sah: „All diejenigen, die bisher die Sorgen vieler Menschen vor einer drohenden Gefahr durch den Islamismus ignoriert oder verlacht haben, werden durch diese Bluttat Lügen gestraft“, sagte er.
AfD-Chef Bernd Lucke hat besonnene Reaktionen angemahnt. Das Attentat auf die französische Zeitung „Charlie Hebdo“ bezeichnete er in einer Erklärung als „ein abscheuliches Verbrechen“. Er forderte „mit allen Mitteln des Rechtsstaates“ gegen „gewaltbereiten islamistischen Fundamentalismus“ vorzugehen.
Zugleich warnte Lucke davor, „die Gewalttat zweier Extremisten einer ganzen Religionsgemeinschaft anzulasten, deren Großteil aus friedliebenden, unbescholtenen Menschen besteht“. Ähnlich äußerte sich die AfD-Kovorsitzende Frauke Petry vor Journalisten in Dresden. „Man darf die Religion Islam nicht auf eine Stufe mit Islamismus stellen“, sagte sie.
Der Leiter der Forschungsgruppe Wahlen, Matthias Jung, rechnet nicht damit, dass die Anschläge der AfD langfristig mehr Wählerstimmen bringen wird. „Die Anschläge werden vermutlich kurzfristige Auswirkungen haben, aber langfristig werden sie der Alternative für Deutschland nicht nutzen“, sagte Jung dem „Tagesspiegel“.