Private Sicherheitsleute sollen in einer Notunterkunft im Siegerland Flüchtlinge misshandelt haben. Das Land Nordrhein-Westfalen und der private Betreiber ziehen Konsequenzen. Kritik an privaten Wachdiensten wird laut.
Burbach/Berlin. Heftige Kritik wird am Einsatz privater Wachdienste in Asylbewerberunterkünften laut. Grund sind die mutmaßlichen Misshandlungsfälle in Flüchtlingsheimen, die am Wochenende bekannt geworden sind. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“: „Zynisch möchte man sagen: Willkommen im schlanken, privatisierten Staat.“
Nun fordern Grüne und die Piratenpartei eine bessere Überprüfung von Sicherheitsdiensten. Die zuständige Bezirksregierung Arnsberg kündigte die Zusammenarbeit mit dem betroffenen privaten Wachdienst und legte schärfere Auflagen für das Betreiberunternehmen des Burbacher Flüchtlingsheims vor.
Unterdessen prüfen Polizei und Staatsanwaltschaft die Vorfälle im siegerländischen Burbach. Dort sollen Wachmänner einen etwa 20 Jahre alten Algerier misshandelt und gedemütigt haben. Der Vorfall ist auf einem Handy-Foto festgehalten. Darauf sind ein gefesselt am Boden liegender Mann und zwei uniformierte Sicherheitsleute zu sehen. Einer der beiden setzt dem Opfer seinen Fuß in den Nacken.
Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln gegen vier Verdächtige und forschen nach weiteren Vorfällen. Dazu werden seit dem Wochenende Hunderte Bewohner der Notunterkunft befragt. Nach Angaben der Polizei gibt es Hinweise auf weitere Körperverletzungsdelikte, an denen zum Teil Mitarbeiter des Wachdienstes beteiligt gewesen sein könnten.
Ein Journalist hatte den Ermittlern am Freitag ein Video übergeben, das einen anderen Übergriff auf einen Flüchtling in der Einrichtung zeigt. In der etwa 10- bis 15-sekündigen Sequenz ist nach Angaben der Polizei ein Mann zu sehen, der neben Erbrochenem auf einer Matratze sitzt und unter Androhung von Schlägen gezwungen wird, sich hinzulegen. Die Aufnahmen waren Auslöser für Durchsuchungen.
Dabei fanden die Ermittler auf dem Handy eines der Verdächtigen das Foto. Außer den beiden Männern auf dem Bild stehen zwei weitere Wachleute im Fokus der Ermittler: Bei ihnen seien verbotene Waffen wie Schlagstöcke gefunden worden.
Auch in einem Asylbewerberheim in Essen soll es nach einem WDR-Bericht Übergriffe gegeben haben. Die beschuldigten Wachmänner sind offenbar vorbestraft. Beide Flüchtlingsheime werden von der Firma European Homecare betrieben, die Sicherheitskräfte in Burbach waren bei einem Subunternehmer angestellt.
Die Bezirksregierung Arnsberg erklärte am Sonntagabend, seit Freitagnacht arbeite in Burbach ein neuer Sicherheitsdienst. „Wer Kriminelle beschäftigt, die Gewalt gegen Asylbewerber ausüben und sie drangsalieren, fliegt raus“, sagte Regierungspräsident Gerd Bollermann. Zudem gelte seit dem Wochenende ein umfassendes Auflagenpaket für European Homecare.
Demnach dürfen in Zukunft nur noch geprüfte Sicherheitskräfte beschäftigt werden, die etwa ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen können und keine Vorstrafen wegen Delikten wie Körperverletzung oder Sexualstraftaten haben. Ihnen muss zudem Mindestlohn gezahlt werden.
Der Chef der Polizeigewerkschaft, Wendt, forderte im ZDF, dass die kommunalen Ordnungsämter selbst die Wachaufgaben übernehmen sollten: „Das wäre eigentlich Aufgabe der Kommunen.“ Diese hätten aber nicht genügend Personal und bräuchten dafür dringend mehr Geld.
Mit Blick auf die privaten Sicherheitsfirmen kritisierte er: „Hier wird eine hoheitliche Aufgabe auf ein gewinnorientiertes Unternehmen übertragen und gleichzeitig der Kardinalsfehler begangen, die Tätigkeit von Subunternehmen im Vertrag nicht zu verbieten.“ Damit seien die „Scheunentore weit geöffnet“ für Kriminelle.
Auch Patrick Schiffer, Vorsitzender der Piratenpartei in NRW kritisierte, die Regierung wälze durch den Einsatz von privaten Wachdiensten ihre Verantwortung ab. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic forderte eine sorgfältigere Auswahl des Personals. „Es muss sichergestellt sein, dass in Flüchtlingsunterkünften nur qualifiziertes Personal eingesetzt wird, das sich seiner besonderen Verantwortung für diese Menschen bewusst ist“, sagte Mihalic dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Montagsausgabe).