Beim Willkommensfest an der Zentralen Erstaufnahme für Flüchtlinge in Harburg machen arabische Frauen auf unwürdige Zustände aufmerksam: Sie wollen unter sich und nicht zusammen mit fremden Männern im Zelt wohnen
Harburg. Es ist bewundernswert, dass die 28 Jahre alte Asma immer noch so tapfer lächelt. Die Syrerin ist vor dem Bürgerkrieg aus ihrem Heimatland geflüchtet und lebt seit drei Wochen in der Zentralen Erstaufnahme für Flüchtlinge am Neuländer Platz in Harburg. Mit Hilfe von ehrenamtlichen Übersetzern berichtet Asma dem Abendblatt von menschenunwürdigen Zuständen in den Notunterkünften. Ihr größter Wunsch klingt bescheiden und eigentlich selbstverständlich: Die junge Frau möchte lediglich ausschließlich mit anderen Frauen in einem Zelt leben. Die Wirklichkeit sieht anders aus: In ihrem 35-Personen-Zelt muss sie zusammen mit fremden Männern hausen – dicht gedrängt auf Pritschen.
„Das macht ihr Stress“, sagt Abdul Diab aus Hausbruch. Der Jordanier übersetzt gemeinsam mit jungen, in Hamburg lebenden arabischen Frauen, was Asma erzählt. Zusammen mit seiner Frau Madina kümmert sich Abdul Diab um die vielen syrischen Flüchtlinge in Harburg. Wie Asma geht es offenbar auch den andern Frauen in den Zeltunterkünften: Sie wissen nicht mehr weiter und wollen in den nächsten Tagen mit einer Aktion ihren Wunsch öffentlich machen, Frauen und Männer getrennt einzuquartieren.
„Wir haben das Sicherheitspersonal an der zentralen Erstaufnahme darauf aufmerksam gemacht. Aber wir blitzen immer ab“, sagt Abdul Diab. Den Frauen würde ohne Trennung der Geschlechter die letzte, winzige Möglichkeit auf Privatsphäre genommen.
Mehrere in Hamburg lebende arabische Frauen, die sich um in Harburg untergebrachte syrische Flüchtlinge kümmern, haben am Wochenende während des Festes der Willkommensinitiative „Refugees Welcome in Harburg“ in einem Gespräch mit dem Abendblatt von unwürdigen Bedingungen in den zentralen Erstaufnahmen in Harburg und Wilhelmsburg berichtet.
Demnach würden auch Menschen mit Läusen und ansteckenden Hautkrankheiten ohne vorherige medizinische Behandlung einquartiert. Die übrigen Mitbewohner würden darunter leiden. Frauen wie Asma hätten immer noch keine Krankenversicherung, übersetzt Abdul Diab. 50 Euro habe die junge Frau jetzt für Medikamente ausgeben müssen – von den 130 bis 150 Euro, die sie eigentlich erhalte, um sich ernähren zu können.
Etwa 25 Bürger aus Harburg und dem übrigen Hamburg haben sich in privat organisierten Willkommensinitiative „Refugees Welcome in Harburg“ zusammengeschlossen und kümmern sich in ihrer Freizeit um die Menschen in den Notunterkünften. Zu ihnen gehören Tülin Akkoc, Abgeordnete der Grünen in der Harburger Bezirksversammlung oder auch die Rechtsanwältin und 1. Vorsitzende des Vereins Flüchtlingshilfe Harvestehude Hendrikje Blandow-Schlegel.
Die Initiative hat auch das Willkommensfest am Wochenende am Neuländer Platz organisiert. Die Ehrenamtlichen haben zusammen mit den Flüchtlingen Essen für sich und alle Gäste zubereitet: ein Reisgericht mit Curry-Gemüse. „Die Kinder haben uns gespendetes Spielzeug aus den Händen gerissen“, sagt Tülin Akkoc. Dringend benötigt würden jetzt Winterjacken, Schuhe, Kinderwagen und Rollstühle.
Die Festorganisatoren stellen etwas enttäuscht fest, dass deutlich weniger Menschen aus Harburg als erwartet das Fest besuchen. Die zahlreichen ehrenamtlichen Dolmetscher für Arabisch, Englisch und Französisch bleiben oft beschäftigungslos. Es sei eben auch nicht zu erkennen, wer Flüchtling und wer Besucher sei, erklärt einer der Dolmetscher, was es ihm schwer mache, Menschen ins Gespräch zu bringen. Die Initiative werde die Erfahrungen besprechen, sich aber nicht entmutigen lassen, sagt ein Sprecher, der sich einfach nur Lutz nennt.
Unter den Harburgern, die das Willkommensfest aufsuchen, sind allerdings zahlreiche Menschen, die sich engagieren wollen. Zu ihnen gehört die Arzthelferin Shabana Khan. Die heute 43-Jährige war im Alter von vier Jahren aus Pakistan nach Harburg-Rönneburg gekommen. Sie beherrscht Urdu, Punjabi, Hindi und Khandari. Das sind Dialekte, die Bevölkerungsgruppen in Indien und Pakistan sprechen. Shabana Khan hat eine Ausbildung zur interkulturellen Mediatorin im medizinischen Bereich absolviert. Sie will helfen: „Ich könnte Flüchtlinge zu Ärzten begleiten“, sagt die Mutter, „oder Fragen zur Kindeserziehung beantworten.“