Ein Geschäft in Kopenhagen „verschenkt“ bestimmte Produkte. Doch ganz ohne Gegenleistung geht es nicht. Der Name des Geschäfts ist ein großes Versprechen und das Prinzip ist einfach.
Kopenhagen. Vor dem kleinen Laden im Kopenhagener Stadtteil Frederiksberg hat sich eine Schlange gebildet. Etwa 100 Menschen warten an diesem Sonnabend ungeduldig vor dem Eingang. Drinnen, zwischen den wenigen Regalen, läuft Simon Taylor sichtlich nervös hin und her. Monatelang haben er und seine Mitarbeiter auf diesen Tag hingearbeitet.
Der Name des Geschäfts ist ein großes Versprechen: Freemarket nennt sich der kleine Laden. Gründer Taylor wirbt für ihn mit dem Slogan „Try before you buy“. Erst testen, dann kaufen – das klingt zu gut, um wahr zu sein. Tatsächlich kann man nicht mal schnell in das Geschäft gehen und sich mit den Waren eindecken, die man gerade braucht. Zwar erhalten die Freemarket-Kunden Süßigkeiten, Getränke und etliche andere Produkte umsonst, doch ohne Gegenleistung geht es auch in Simon Taylors Geschäft nicht.
Der Ex-Mitarbeiter einer Werbeagentur kam vor einigen Jahren auf die Idee, großen Unternehmen eine einfache Möglichkeit anzubieten, neue Produkte zu testen oder mehr über die Kunden herauszufinden. Er gründete Freemarket. Zunächst handelte es sich nur um einen Internetmarkt. Kunden konnten Bestellungen elektronisch aufgeben, der Postbote kam ein paar Tage später mit den Waren. Doch schon schnell merkte Taylor, dass gerade Käufer von Lebensmitteln lieber die Produkte physisch erleben wollten. So entstand die Idee, ein richtiges Geschäft zu eröffnen.
Firmen wie Cloetta, Storck, Läkerol oder San Pellegrino nutzten sofort die Chance und belieferten Freemarket mit einer Auswahl ihrer Produkte. Heidi Teschenmacher, Marketingchefin von Cloetta, einem großen Schokoladen- und Süßwarenhersteller in Nordeuropa, ist begeistert. „Wir bekommen die Chance, mehr über unsere Kunden herauszufinden“, sagt die Dänin. So könne der Konzern besser entscheiden, welche neuen Produkte er herausbringt. „Außerdem wissen wir besser, wann und wo eine Neueinführung stattfinden sollte“, sagt Teschenmacher.
Das Prinzip von Freemarket ist einfach: Man muss sich auf der Homepage oder im Laden mit einem umfangreichen Formular als Kunde registrieren lassen. Angaben zur Person, Alter, Geschlecht und Hobbys gehören zu den Informationen, die Freemarket fordert. Doch damit nicht genug. Die angehende Kundschaft muss sich zu einer Gegenleistung für die „Gratisprodukte“ verpflichten. Was das genau ist, entscheidet der Produzent der Ware. So möchte etwa Cloetta wissen, was die Kunden von ihren neuen Schokodrops halten. „Das ist enorm wichtig für uns, damit wir einschätzen können, ob wir dieses Produkt landesweit auf den Markt bringen“, Heidi Teschenmacher.
Das Ausfüllen von Fragebögen ist aber nur eine Möglichkeit, um ein Produkt gratis zu bekommen. Für etwa die Hälfte aller bei Freemarket erhältlichen Produkte muss der Kunde bei Instagram, Twitter oder Facebook seine Erfahrungen mit anderen teilen oder ein Foto posten. „Das ist eine neue Form der Werbung“, behauptet Freemarket-Gründer Taylor. Er spricht von einer Win-win-Situation. Der Hersteller bekommt Werbung in sozialen Netzen und erhält wichtige Informationen über Kaufverhalten. Der Kunde glaubt, beschenkt worden zu sein.
Tatsächlich zahlt der Kunde zumindest eine monatliche Gebühr von umgerechnet 2,55 Euro. Er darf sich nur zehn Produkte pro Monat aussuchen und ein Produkt nur einmal auswählen. Die Chipsration für eine große Fete ist also im Freemarket nicht zu bekommen.
Dennoch ist der Laden bislang ein Erfolg: Seit der Eröffnung Mitte August hat sich die Mitgliederzahl von 5000 auf 10.000 verdoppelt. Die Kunden finden die Idee gut. „Für mich ist das überhaupt kein Problem, dass ich bestimmte Produkte in Facebook, Twitter oder Instagram teile“, sagte die Studentin Krista Lüth dem dänischen Fernsehsender TV 2. Sie war eine der ersten Kundinnen im neu eröffneten Freemarket.
Nicht so erfreut ist Albert Funder. Er leitet Zupa Recommended, eine der größten dänischen Werbeagenturen. „Ich glaube, diese Idee hält vielleicht ein paar Jahre, aber langfristig trägt das nicht“, sagt er. Nach einiger Zeit werden Freemarket-Kunden die Fragebogen oder die geforderte Werbung in sozialen Netzen als unschön empfinden, meint er. Auch die Diskussion über Datenschutz könnte das Geschäftskonzept stören. Denn als Gegenleistung für Eis, Kaugummi, Chips oder Schokolade verlangen die Produkthersteller Einblicke in die Privatsphäre der Kunden.
Simon Taylor ist überzeugt von seiner Idee. Im Herbst will der Däne einen zweiten Laden im Nachbarland Schweden eröffnen. Und danach kann er sich auch Filialen in Deutschland, Großbritannien und Norwegen vorstellen.