Die CDU kritisiert die Vergeudung von Lebensmitteln und wirft dem Senat Untätigkeit vor. In Deutschland landet jedes achte gekaufte Lebensmittel in der Mülltonne.

Hamburg. Die CDU hat den Senat aufgefordert, sich ein genaueres Bild über die in der Hansestadt vergeudeten Lebensmittel zu machen. Zugleich plädiert die Union in einem Bürgerschaftsantrag dafür, ein Maßnahmenpaket gegen das massenhafte Wegwerfen von Nahrung zu beschließen. „Nach Angaben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wird jedes achte gekaufte Lebensmittel von den Endverbrauchern weggeworfen“, heißt es in dem Antrag. „Jahr für Jahr landen so laut Schätzungen der EU-Kommission bundesweit rund elf Millionen Tonnen auf dem Müll. Oftmals geschieht dies durch Verunsicherung über die Bedeutung des Mindesthaltbarkeitsdatums und dem daraus resultierenden falschen Umgang mit Lebensmitteln.“

Hintergrund: Die EU-Kommission hatte mit dem „Fahrplan für ein ressourcenschonendes Europa“ das Ziel vorgegeben, bezogen auf das Ausgangsjahr 2011 bis 2020 die Wegwerfrate zu halbieren. „Dies setzt voraus, dass überhaupt verlässliche Zahlen zur Wegwerfrate innerhalb einer Gebietskörperschaft vorliegen. Die regionale Verteilung stellt sich nämlich bisweilen sehr unterschiedlich dar“, sagt Dennis Thering, Verbraucherschutz-Experte der CDU-Fraktion. Bayern und Nordrhein-Westfalen hätten bereits im Jahr 2012 Studien zur Ermittlung des tatsächlichen Ausmaßes der Lebensmittelverschwendung durchführen lassen. „Hamburg tappt an diesem Punkt aufgrund der Verweigerungshaltung des Senats weiterhin im Dunkeln.“

Wie aus Antworten auf eine CDU-Anfrage hervorgehe, wisse man im Rathaus weder, wie hoch die Wegwerfrate sei, noch wie man die Zielsetzung der Halbierung bis 2020 erreichen könnte. „Derlei Desinteresse ist fatal und symptomatisch zugleich“, heißt es in dem Antrag. Während die „CDU-geführten Bundesregierungen“ den Kampf gegen Lebensmittelverschwendung seit Jahren sehr ernst nähmen und mit dem Projekt „Zu gut für die Tonne“ vorantrieben, hinke Hamburg deutlich hinterher. Der Hinweis auf das Projekt sei im Rahmen der schulischen Ernährungsbildung nicht einmal verpflichtend vorgeschrieben, moniert die CDU.

Dabei hat das Projekt „Zu gut für die Tonne“, das die damalige Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) vor zwei Jahren ins Leben gerufen hatte, für Aufsehen und Erkenntnisgewinn gesorgt. Nach der damit verbundenen Untersuchung wirft jeder Bundesbürger 82 Kilogramm Nahrung im Jahr in den Müll. Zwei Drittel davon wären zum Zeitpunkt der Vernichtung noch genießbar. Auf 235 Euro pro Kopf wird der Wert dieser Abfälle geschätzt.

Eine vierköpfige Familie könnte bei einem sorgsamen Umgang mit Lebensmitteln demnach durchschnittlich 1000 Euro im Jahr sparen. Die Forscher der Uni Stuttgart, die im Auftrag des Ministeriums die Studie durchgeführt haben, fanden heraus, dass 61 Prozent des gesamten Lebensmittelmülls in den Privathaushalten entstehen – das sind rund 6,6 Millionen Tonnen. Je 17 Prozent produzieren Industrie und Großverbraucher, fünf Prozent der Handel.

Am häufigsten werfen die Verbraucher Obst und Gemüse (44 Prozent) weg, dann folgen Back- und Teigwaren (20 Prozent), Essensreste (zwölf Prozent), Milchprodukte (acht Prozent), Getränke (sieben Prozent) sowie Fleisch und Fisch (sechs Prozent).

„Weil Deutschland Lebensmittel importiert, hat die Verschwendung auch globale Auswirkungen“, sagt Jürgen Knirsch von Greenpeace. Es würden durch Lebensmittel-Vergeudung 28Prozent der globalen Ackerflächen umsonst bewirtschaftet. Wasser von einer Menge, die dem dreifachen Volumen des Genfer Sees entspricht, werde verschwendet.

Wie also kann man verhindern, dass Lebensmittel vergeudet werden? Der Verbraucher sollte schon beim Einkauf darauf achten, dass er nur kauft, was er auch verbraucht, rät die Verbraucherzentrale Hamburg. Er sollte sich nicht von Sonderangeboten verleiten lassen und keine Produkte kaufen, die nicht länger gelagert werden können. Die konkreten Tipps lauten: „Schreiben Sie einen Einkaufszettel. Kaufen Sie regionale Produkte und solche der Saison. Vernachlässigen Sie den optischen Eindruck der Ware. Lagern Sie Lebensmittel richtig. Verwerten Sie Reste.“

Auch der Handel und Initiativen treten dem Phänomen entgegen. „Es gibt Supermärkte, die Rabatte auf Lebensmittel geben, deren Mindesthaltbarkeitsdatum bald abläuft“, sagt Greenpeace-Mann Knirsch. Viele Lebensmittel gingen auch an die Tafeln. 1,3 Millionen Menschen erhalten in Deutschland über die Tafeln Mahlzeiten aus aussortierten Lebensmitteln, allein in Hamburg sind es 20.000 Menschen pro Woche.

In Hamburg wollen nun die Christdemokraten Bewegung in das Thema bringen. „Der Senat muss endlich nachziehen, das zahlenmäßige Ausmaß mit einer eigenen Studie genau erfassen, verstärkt auf das Projekt ‚Zu gut für die Tonne!‘ hinweisen sowie weitere eigene Maßnahmen für eine Stärkung der Wertschätzung von Lebensmitteln in Hamburg entwickeln und einleiten“, fordert Verbraucherschutz-Sprecher Thering. Debattiert werden soll das Thema bei der nächsten Bürgerschaftssitzung am 26. Februar.