Seit drei Monaten wütet in Teilen Westafrikas die Ebola. Kurz schien das Virus eingedämmt – jetzt kehrt es mit voller Wucht zurück. Das größte Problem: Die Menschen sind sich der Gefahr nicht bewusst.
Conakry. Schon der Name „Ebola“ reicht aus, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Das Virus ist aggressiv: Die Symptome der Erkrankten wie innere und äußere Blutungen können je nach Erreger bei bis zu 90 Prozent der Infizierten zum Tod führen. Jetzt warnen Experten, die jüngste Ebola-Epidemie in mehreren Ländern Westafrikas sei außer Kontrolle geraten. Ein Grund ist, dass die Menschen in den teilweise sehr abgelegenen Regionen sich der Gefahr nicht bewusst sind und den häufig in futuristische Schutzanzüge gehüllten Ärzten nicht vertrauen.
„Das Virus breitet sich in den drei Ländern Guinea, Sierra Leone und Liberia – darunter auch in der Hauptstadt Monrovia – immer weiter aus“, sagt Bart Janssens, der Programmverantwortliche der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF). „Mittlerweile gibt es 40 verschiedene Orte mit Ebola-Fällen.“ Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beziffert die Zahl der Todesopfer inzwischen auf 350.
Das hat es zuvor noch nie gegeben: Als Ebola 1976 im damaligen Zaire, dem heutigen Kongo, auftauchte, kam es zur bis heute schlimmsten erfassten Epidemie: Von 318 Patienten starben damals 280. Seither taucht das Virus immer wieder in entlegenen Dörfern Afrikas in der Nähe von Regenwäldern auf – kann aber normalerweise recht schnell eingedämmt werden.
„Das Problem ist ja, dass weiterhin Kranke versteckt werden“
Warum also schlagen die Maßnahmen – darunter die Isolation der Kranken und kontrollierte Beerdigungen – diesmal in Westafrika nicht an? „Das Problem ist ja, dass weiterhin Kranke versteckt werden und Skepsis gegenüber den Gegenmaßnahmen herrscht“, sagt Fabian Leendertz vom Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin.
„Wir haben keine Erfahrung mit solchen Ausbrüchen in Westafrika, die Situation ist einfach anders, wir müssen erstmal die Menschen verstehen und entschlüsseln, wie wir sie überzeugt bekommen, dass die richtigen und guten Gegenmaßnahmen von Organisationen vor Ort ihr Leben retten werden.“ Dabei sei es wichtig, auch Anthropologen mit einzubinden.
Ein weiteres Problem sei die breite geografische Verbreitung, betont der Experte: „Das macht die Kontrolle der Epidemie und das Verstehen von Ängsten natürlich sehr schwer. Meist waren solche Ausbrüche auf ein bestimmtes Gebiet begrenzt“.
Ein besonderes Risiko für die Bevölkerung sind die Begräbnisse. „Das Virus breitet sich durch den direkten Kontakt mit einem infizierten Menschen aus“, sagt der Gesundheitschef des Kinderhilfswerks Unicef in der Region, Maurice Hours. „Freunde und Angehörige der Opfer, die an Beerdigungen teilnehmen, können sich anstecken – etwa, wenn sie den Körper des Toten berühren oder andere Menschen anfassen, die die Leiche berührt haben, ohne sich anschließend die Hände zu waschen.“
Ein einzelner Infizierter reicht, um die Epidemie neu zu entfachen
Die Krankheit grassiert bereits seit März. Jedoch hatte die Epidemie in den vergangenen Wochen kaum noch Schlagzeilen gemacht. Fast schien es, als sei sie besiegt. Nun kam es zu einer zweiten heftigen Ebola-Welle.Warum? „Meiner Meinung nach war die Epidemie nie vorbei“, sagt Leendertz. „Leider ist die Situation so unübersichtlich und das Virus schon so weit verbreitet, dass eben einige Fälle unentdeckt blieben.“ Jeder infektiöse Mensch berge ein großes Risiko für andere: Ein einzelner Infizierter reiche, um die Epidemie neu zu entfachen.
Hinzu komme, dass die Bewohner der Region häufig zwischen den drei Ländern hin- und herreisen, sagt Janssens von Ärzte ohne Grenzen. Deshalb sei etwa die Region rund um die Stadt Gueckedou im Süden Guineas – ein Drehkreuz des Handels mit Sierra Leone und Liberia – besonders betroffen. „Es handelt sich ganz klar um eine neue Phase der gleichen Epidemie und nicht um eine neue Ansteckung aus dem Tierreich“, erläutert Janssens. Ein Ebola-Ausbruch erfolgt zunächst über infizierte oder tote Tiere, darunter vor allem Affen – etwa, wenn diese gegessen werden.
Die Helfer tun derweil ihr Bestes, um den Betroffenen zu helfen. Unicef stellt den Gesundheitsbehörden Sanitätsartikel, Schutzmaterial und Medikamente zur Verfügung. Die Teams von Ärzte ohne Grenzen versorgen Ebola-Patienten in fünf Behandlungszentren in Guinea und Sierra Leone. Die Mitarbeiter hätten aber Schwierigkeiten, auf die große Zahl neuer Fälle und neuer Herde zu reagieren: „Wir haben unsere Grenzen erreicht“, so Janssens.
Deshalb sei es jetzt ganz wichtig, schnell zu reagieren und mehr qualifiziertes Personal zur Verfügung zu stellen. „Die WHO, die betroffenen Länder und die Nachbarstaaten müssen alle Kräfte mobilisieren“, betont Janssens. „Ebola ist nicht mehr länger ein auf Guinea beschränktes Gesundheitsproblem. Es betrifft ganz Westafrika.“