Tödlicher Tiger-Angriff im Kölner Zoo auf eine Pflegerin. Was ging dem tödlichen Biss voraus? Hagenbeck-Chef: Sicherheit wird ständig geübt.
Köln/Hamburg. Eine Stunde nach dem Todesdrama im Kölner Zoo stehen wieder Besucher mit ihren Kindern vor dem Tiger-Gehege. Hier hat der Sibirische Tiger Altai seine Tierpflegerin totgebissen. Jetzt streifen dessen vier verbliebene Artgenossen umher, spielen mit großen gelben Bällen oder dösen. Das Sicherheitspersonal des Zoos achtet darauf, dass keine Gäste interviewt werden. Es soll Normalität einkehren. Keine Spur mehr von Polizei und Krankenwagen, auch Blut und Absperrband sind nicht zu sehen.
Susanne Middendorf war mit ihrem dreijährigen Sohn gerade am Zoo angekommen, als der Großeinsatz der Polizei und der Feuerwehr anlief. "Wir wussten nicht, was los war, und die Zoomitarbeiter durften nichts sagen", berichtet die Kölnerin. Erst durch andere Gäste habe sie von dem Unglück gehört.
Gegen 12 Uhr am Sonnabend spielten sich in dem Tierpark dramatische Szenen ab. Der vier Jahre alte Sibirische Tiger fiel seine 43-jährige Pflegerin von hinten an und verletzte sie tödlich, nachdem diese wohl ein Sicherheitstor nicht geschlossen hatte. Gegen das kräftige Tier hatte die Pflegerin keine Chance. "Wir können uns derzeit nicht erklären, warum der erfahrenen Pflegerin ein derart verhängnisvolles Versehen unterlaufen konnte", sagte später Zoodirektor Theo Pagel.
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Die Lage ist zunächst unübersichtlich. Zoomitarbeiter und Polizei fangen Besucher ab und räumen den beliebten Tierpark, der zu den ältesten in Deutschland zählt. Die Evakuierung ist noch nicht abgeschlossen, als Zoodirektor Pagel von einem Dach aus sein großkalibriges Gewehr ansetzt und das kräftige Raubtier erlegt. "Der Tiger war sofort tot", sagt Pagel hernach vor Journalisten. Der Schock steht ihm ins Gesicht geschrieben. "Das ist der schwärzeste Tag in meinem Leben." Erst als der Tiger tot ist, kann Pflegerin Ruth K. geborgen werden. Trotz des tödlichen Zwischenfalls öffnet der Zoo wenig später wieder seine Pforten. Nur eine Abendveranstaltung wird abgesagt.
Für Oscar Kliewe und seinen zweijährigen Sohn sollte es ein schöner Tag im Zoo werden. Seine Gedanken sind aber bei der toten Tierpflegerin und ihren Kollegen: "Das muss sehr belastend sein für die Mitarbeiter der Toten, die müssen jetzt hier weiterarbeiten und gute Miene zum bösen Spiel machen." Er selber sei mit seiner Familie dem Tiger-Gehege ferngeblieben, "da muss ich nicht noch hinrennen, um zu irgendwas zu sehen", sagt Kliewe.
Was ging dem tödlichen Biss voraus? Wie genau war der Hergang? Polizei und Staatsanwaltschaft sichern Spuren. Zeugen werden befragt. Mit ersten Ergebnissen sei frühestens heute zu rechnen, sagt ein Polizeisprecher. Hat das Sicherheitstor womöglich geklemmt und konnte nicht schließen?
Im Hamburger Tierpark Hagenbeck versichert dessen zoologischer Leiter Stephan Hering-Hagenbeck: "Bei uns steht der Sicherheitsaspekt an erster Stelle. Zur täglichen Arbeit der Tierpfleger gehört es, die Anlagen zu überprüfen. Sobald etwas kaputt ist oder klemmt, kommen die Handwerker, auch an Heiligabend." So wie es sich darstelle, sagt Hering-Hagenbeck dem Hamburger Abendblatt, "war es in Köln ein menschlicher Fehler, der zu dem Unfall geführt hat. So etwas kann bei uns auch passieren." Vor einer falschen Bedienung oder einem schlechten Tag sei niemand sicher. Mit regelmäßigen Übungen werde bei Hagenbeck versucht, die Mitarbeiter aufmerksam und auf dem modernsten Sicherheitsstand zu halten.
Dazu gehöre auch, ihnen beizubringen, wie sie sich im Notfall verteidigen können. Hering-Hagenbeck: "Aber selbst wenn jemand weiß, wie sich ein Tier eventuell einschüchtern lässt, so geht bei einem Angriff doch alles irrsinnig schnell." Erschwerend komme hinzu, dass jedes Tier unterschiedlich reagiere. Manche zögen sich beim plötzlichen Zusammentreffen mit einem Menschen im Gehege überrascht zurück, andere schalteten auf Angriff. Und auch das manchmal jahrzehntelange Arbeiten eines Tierpflegers mit einem Tier minimiere die Gefahr nicht. Stephan Hering-Hagenbeck: "Ein Raubtier ist und bleibt ein Raubtier." Eine gute Ausbildung und die eingeübte Routine seien deshalb entscheidend zum Schutz der Mitarbeiter - und auch der Tiere. "Bei uns lernt jeder Lehrling als Allererstes, dass die Türen zu sein müssen und der erste Blick im Gehege auch dorthin gehen muss, um sich abzusichern", so Stephan Hering-Hagenbeck.
Er lehnt es aber ab, aufgrund des Unfalls von Köln jetzt die Haltung von Großkatzen in Zoos zu diskutieren: "Das ist eine Grundsatzfrage und stellt die gesamte Zootierhaltung infrage. Wir halten auch Giftschlangen, Krokodile, Bären und Elefanten. Das sind ebenfalls alles gefährliche Tiere. Wo will man da den Strich ziehen?"
Hier befindet sich der Kölner Zoo: