Der Filmstar Hugh Grant sagte als erstes Opfer des britischen Abhörskandals vor einem Ausschuss aus. Auch Autorin J. K. Rowling ist geladen.
London. Sie wurden abgehört, belauert und verleumdet. Jahrelang haben Stars wie die Schauspieler Hugh Grant und Sienna Miller mit ihrem Privatleben das Futter für die britischen Boulevardmedien geliefert. Vor allem die inzwischen eingestellte Sonntagszeitung "News of the World" aus dem Imperium des Medienmoguls Rupert Murdoch geriet ins Zwielicht. Nun bekommen die rund 5800 Abhöropfer die Gelegenheit, den Spieß umzudrehen und gegen ihre Verfolger auszusagen.
Den Auftakt bei der landesweit im Fernsehen übertragenen Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss des Parlaments in London machte Hugh Grant ("Notting Hill", "Bridget Jones"). Der 51 Jahre alte Filmstar erhob schwere Vorwürfe gegen Paparazzi und die Boulevardpresse. Er warf ihnen vor, sein Privatleben auszuspionieren, Telefonate abgehört und seine Telefonmailbox angezapft zu haben. Er griff nicht nur das Murdoch-Blatt, sondern auch Zeitungen aus dem Verlagshaus Associated Newspapers an. So habe die "Mail on Sunday" 2007 über seine angeblichen Beziehungsprobleme mit Freundin Jamima Khan berichtet ("Ihre Liebe liegt auf Eis") und von Gesprächen mit einer Frau mit "affektierter Stimme" geschrieben. "Ich wüsste gerne, was ihre Quelle war, wenn es nicht das Abhören eines Telefongesprächs war", sagte Grant. Dem "Daily Mirror" warf er vor, sich seine Krankenprotokolle beschafft zu haben. Zudem hätten Paparazzi der Mutter seiner Tochter, der chinesischen Schauspielerin Tinglan Hong, nachgestellt. Einen Tag nach der Geburt des Babys Anfang Oktober, habe er Hong besucht, die unter einem falschen Namen im Krankenhaus gelegen habe.
Offensichtlich habe ein Klinikmitarbeiter dies der "Daily Mail" gesteckt, sagte Grant. Bis dahin hätten nicht einmal seine PR-Berater von dem Baby gewusst. Fortan sei er mit Anrufen bombardiert und das Haus von Hong belagert worden. Die Großmutter des Babys sei von einem Paparazzo fast umgefahren worden. Hugh Grant: "Ich habe inzwischen die Polizei eingeschaltet."
Der Verlag seinerseits schoss sofort gegen ihn zurück und beschuldigte den Schauspieler, "lügenhafte Verleumdungen" aufzutischen, "getrieben von seinem Hass auf die Medien".
Diesen Hass teilen freilich mit Grant viele Opfer solcher Nachstellungen. Betretenheit machte sich breit über das, was gestern im Anhörungssaal Mary-Ellen Field, die frühere Modeberaterin von Supermodel Elle Macpherson (48, "The Body") vortrug. Field war von ihrer Arbeitgeberin wegen angeblicher Indiskretionen gegenüber den Medien in Bezug auf Einzelheiten aus dem Privatleben des Models entlassen worden. Aber sie war unschuldig: Hacker hatten das Mobiltelefon von Macpherson angezapft und sich damit in den Besitz diverser Interna gesetzt.
Man wird in dieser Woche auch noch von Max Mosley, dem früheren Formel-1-Direktor, der Sängerin Charlotte Church, "Harry Potter"-Autorin Joanne K. Rowling, Gerry McCann, dem Vater der in Portugal vermissten Maddie McCann, von Fußballprofis und deren Frauen, von TV-Größen und Entertainern aller Art zu hören bekommen - eine Phalanx der Berühmten und Namhaften will antreten zur Abrechnung mit den Medien, der Vierten Gewalt, wie man sie gerne nennt.
Im Juli dieses Jahres hatte Premierminister David Cameron den Ausschuss einberufen, im Anschluss an den Skandal um die Abhörpraktiken ("phone hacking") der "News of the World". Das Sonntagsblatt mit der höchsten Auflage in Großbritannien wurde von Rupert Murdoch und seinem Sohn James über Nacht eingestellt.
Der Ausschuss soll nun prüfen, ob neue Gesetze nötig sind, um die Pressefreiheit stärker einzuschränken. Die Neigung der Briten zu Letzterem ist verständlich, wenn sie wie jetzt noch einmal den erschütternden Fall der Milly Dowler anhören mussten, jenes 13-jährigen Mädchens, das im März 2002 entführt worden und lange danach unauffindbar war, ehe es ermordet in einem Waldstück entdeckt wurde.
Journalisten der "News of the World" hatten sich mithilfe eines Privatdetektivs in das Mobiltelefon des Mädchens eingehackt und dort eingetroffene Gespräche auf der Mailbox gelöscht, um mehr Platz zu schaffen für weitere Botschaften der Sorge, die, immer wieder abgehört, vorzüglichen Stoff lieferten für auflagenträchtige Rührstücke über das verschwundene Mädchen. Die Eltern, Sally und Bob Dowler, von Rupert Murdoch inzwischen mit zwei Millionen Pfund für ihre erlittene Qual entschädigt, gaben gestern erstmals zu Protokoll, dass sie zeitweise wieder Hoffnung schöpften, ihre Tochter lebend wiederzusehen. Die Eltern dachten damals, Milly selbst habe ihre Nachrichten abgehört; diese war jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits tot.