Oskar Lafontaine hat seine Beziehung zu Sahra Wagenknecht endlich öffentlich gemacht. Was bedeutet diese Verbindung für die Linke?
Berlin. Die Rednerin, auf die alle Delegierten in der Stadthalle Boppard warten, verspätet sich ein wenig. Sahra Wagenknecht, 42, will auf dem Landesparteitag der Linken in Rheinland-Pfalz sprechen. Über Politik. Als sie schließlich ankommt, begleiten die 200 Zuhörer den Weg der Neuen im Führungszirkel der Linken zum Rednerpult mit Applaus. Zum Schluss, bevor Wagenknecht für ihre Kapitalismuskritik gefeiert wird, sagt sie: "Dieses Land braucht eine starke Linke - und dazu lasst uns alle unseren Beitrag leisten!"
Wagenknecht hat am Wochenende einen besonderen Beitrag geleistet. Die Politikerin ist nicht nur seit Kurzem die neue Vize-Fraktionschefin der Linken im Bundestag. Einen Tag vor dem Auftritt wurde bestätigt: Die Wortführerin der Kommunistischen Plattform ist die Freundin von Oskar Lafontaine, 68, ehemals größtes politisches Talent der SPD, Fast-Kanzler und nach seiner Abkehr von den Sozialdemokraten die Galionsfigur der Linken.
In Boppard wurde Wagenknecht gefeiert. Doch unklar ist, wie die Partei in den kommenden Monaten mit ihrem neuen Liebespaar umgehen wird. Nächstes Jahr soll eine neue Parteispitze gewählt werden. Lafontaine soll sich als Duo Wagenknecht und den Reformer Stefan Liebich wünschen. Er gilt schon länger als Förderer Wagenknechts, und nachdem er sie nun weit oben in der Partei etabliert hat, kann er mit zusätzlichem Rückenwind für eine mögliche eigene Spitzenkandidatur bei der Bundestagswahl 2013 rechnen. Mit dem Liebes-Outing stellt sich aber auch die Frage, ob Lafontaine und Wagenknecht Politisches und Privates auseinanderhalten können oder ob die Linke ihr politisches Kind werden soll. Die beiden sollen bereits eine gemeinsame Wohnung haben, heißt es in der Partei.
Lafontaine ist seit 18 Jahren zum dritten Mal verheiratet und hat zwei Söhne. Seine Noch-Ehefrau Christa Müller, 55, ist auch Politikerin und familienpolitische Sprecherin der Linken im Saarland. Wagenknecht ist seit 1997 mit dem Filmproduzenten und Geschäftsmann Ralph-Thomas Niemeyer, 42, verheiratet, der in Irland lebt. An der rechten Hand trägt sie noch ihren goldenen Ehering. Mit dem öffentlichen Liebesgeständnis lassen Lafontaine und Wagenknecht ihre bisherigen Partnerschaften jedoch hinter sich. Die beiden bürsteten Fragen nach der politischen Relevanz ihrer Liebe ab. Am Ende seiner Rede auf dem Parteitag der Saar-Linken am Sonnabend hatte Lafontaine erklärt, warum Wagenknecht ihn begleite: als Freundin nämlich. "Ich lebe seit einiger Zeit getrennt und bin mit Sahra eng befreundet. Das war's dann auch. Mehr hab ich dazu nicht zu sagen", erklärte Lafontaine den rund 150 Delegierten. Er ließ sich kurz darauf nur noch ein paar Worte abringen: Er habe zwei Sätze gesagt. Im Übrigen sei er der Meinung, bei Politikern sollte man "über die politischen Themen diskutieren, nicht über ihr Privatleben". Wagenknecht sagte auf Nachfragen knapp: "Es ist alles gesagt. Mehr gibt es nicht." Sie hatten einen Riegel vorgeschoben. Doch in der Partei rumort es.
Die Debatte über eine mögliche Rückkehr Lafontaines an die Spitze der Partei feuerte am Sonntag der Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi, an. Zur Rolle Lafontaines bei der Führungsfrage, die in wenigen Monaten beantwortet werden muss, sagte er dem "Spiegel": "Er ist wieder gesund, er ist quicklebendig. Sicher ist er im Saarland auch etwas unterfordert." Über seine einstige Gegenspielerin Wagenknecht sagte Gysi in dem Gespräch, in dem die nun bekannt gemachte Liebe kein Thema ist: "Sie hat sich entwickelt (...) Und weil ich mich natürlich auch entwickelt habe, kommen wir jetzt gut miteinander klar." Gysi warb zudem erneut für das Modell einer Doppelspitze aus Mann und Frau aus Ost und West an der Parteispitze. Das Trio Lafontaine/Wagenknecht/Gysi hat sich offenbar arrangiert.
Wagenknecht sei seit Kurzem ungewohnt "vorlaut"
Kritiker von Wagenknecht und Lafontaine halten derweil still und wollen höchstens nur hinter vorgehaltener Hand über eine politische Dimension der privaten Beziehung sprechen. Manche sehen diese nicht. Andere meinen: Da gewinnt man nicht, wenn man sich öffentlich äußert. Es sei aber auffällig, wie ungewohnt "vorlaut" Wagenknecht seit Kurzem auftrete. Sie nehme immer mehr das überzogene Selbstbewusstsein von Lafontaine an. In diesem Jahr hatte die Partei vor allem über Patzer des Führungsduos Gesine Lötzsch und Klaus Ernst diskutiert: Mal ging es um die Bewertung des Mauerbaus, dann um Glückwünsche an Fidel Castro. In Folge drängten Lafontaine, Wagenknecht und Gysi in die Öffentlichkeit. Doch die Umfragewerte der Partei waren wie eingefroren. Eine mögliche Rückkehr Lafontaines an die Parteispitze wird deshalb kritisch gesehen.