Elf Jahre ermittelte die Nürnberger Kripo vergeblich - Nun wurde die Tatwaffe gefunden
Nürnberg. Elf Jahre lang tappte die Polizei im Dunkeln, nun steht eine Mordserie an ausländischen Gewerbetreibenden aus ganz Deutschland offenbar vor der Aufklärung: Neun Männer – acht Türken und ein Grieche – waren zwischen Herbst 2000 und dem Frühjahr 2006 in Nürnberg, München, Hamburg, Rostock, Dortmund und Kassel regelrecht hingerichtet worden. Jetzt ist die Tatwaffe der sogenannten Dönermorde überraschend aufgetaucht.
In Nürnberg hatte die brutale und mysteriöse Mordserie im September 2000 ihren Anfang genommen. Damals war der 39-jährige Blumenhändler Enver S. mit acht Schüssen umgebracht worden. Knapp ein Jahr später, am 13. Juni 2001, wurde der 49 Jahre alte Abdurrahim Ö., Inhaber einer Änderungsschneiderei, ebenfalls in Nürnberg exekutiert.
Es folgten sieben weitere kaltblütige Morde an Kleinunternehmern. Immer kamen die Täter am helllichten Tag, schlugen in Großstädten zu den üblichen Ladenöffnungszeiten zu und töteten ihre Opfer mit gezielten Kopfschüssen. Beim letzten Opfer, dem 21-jährigen Halit Y. aus Kassel, hielten sich zur Tatzeit am 6. April 2006 gegen 17.00 Uhr sogar noch drei Kunden in dessen Internet-Café auf. Doch keiner wollte etwas bemerkt haben.
Einziges Bindeglied zwischen allen Morden war die Tatwaffe, eine Pistole der tschechischen Marke Ceska, Typ 83, Kaliber 7,65 Millimeter. Die Tatwaffe wurde nun laut Bundesanwaltschaft in der Zwickauer Wohnung jener Männer aufgefunden, die 2007 eine Polizistin in Heilbronn umgebracht haben sollen. Sie und ihre mittlerweile verhaftete Gefährtin Beate Z. werden rechtsextremistischen Kreisen zugerechnet.
Fremdenhass ist womöglich das Motiv gewesen, über das die Ermittler solange gerätselt hatten. „Wir wissen es nicht, wir haben nichts“, hatte die zuständige Nürnberger Hauptkommissarin Elke Schönwald dazu noch im Juni gesagt. Dabei hatten die Beamten jahrelang in alle Richtungen ermittelt, einen einzelnen Serientäter genauso für möglich gehalten wie eine organisierte Bande. Die Mordkommission hatte in all den Jahren 33 Millionen Datensätze ausgewertet, die Alibis von 11.000 Personen überprüft, und war rund 3.500 Spuren nachgegangen – ohne Erfolg.
Erleichtert und gleichzeitig entsetzt über die grausamen Zusammenhänge hat sich die Nürnberger Polizei am Freitag zur möglichen Aufklärung der Mordserie an neun ausländischen Gewerbetreibenden geäußert. „Jeder von uns war elektrisiert, als wir erfuhren, dass die gesuchte Tatwaffe gefunden worden ist“, sagte die Leiterin der Polizeipresssestelle, Elke Schönwald.
Die Ermittler hätten befürchtet, dass der Killer noch einmal zuschlagen könnte. In Nürnberg befassen sich von einst rund 160 Beamten der bundesweiten „Soko Bosporus“ noch fünf mit der sogenannten Döner-Mordserie, die dort im Jahr 2000 ihren Anfang genommen hatte.
Chronologie des Heilbronner Polizistinnenmordes
April 2007: In Heilbronn wird eine 22 Jahre alte Polizistin erschossen. Ihr Kollege überlebt seine lebensgefährlichen Kopfverletzungen. Am Wagen wird das DNA-Material einer Unbekannten sichergestellt.
2007 bis 2009: Die Ermittler suchen nach einen Phantom. Gen-Spuren der angeblichen "Frau ohne Gesicht“ werden bei mehr als 35 Straftaten gefunden – darunter Morde und Einbrüche.
26. August 2008: Das ZDF strahlt eine Dokumentation über die "Frau ohne Gesicht“ aus.
25. Dezember 2008: Das Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart weist Spekulationen um verunreinigte Utensilien für die DNA-Analyse bei der Suche nach dem Heilbronner "Phantom“ zurück. 5. Januar 2009: Die ARD rollt die mysteriösen Straftaten, die auf das Konto der "Frau ohne Gesicht“ gehen sollen, in einer Sendung auf.
13. Januar 2009: Mit der höchsten Belohnung in der Geschichte von Baden-Württemberg will das Land die zähe Aufklärung vorantreiben: Die Belohnung wird auf 300 000 Euro verdoppelt.
11. Februar 2009: Das LKA übernimmt wegen Überlastung der Heilbronner Polizei die Ermittlungen in dem mysteriösen Fall.
27. März 2009: Leiter der Staatsanwaltschaft Heilbronn, Volker Link, räumt ein, dass die Gen-Spuren der "Frau ohne Gesicht“ beim Verpacken auf die Wattestäbchen gelangt waren. Anfang 2010: Die Polizei nimmt Kontakt zu 395 ehemaligen Gymnasiasten auf, die zur Zeit des Mordes in der Nähe des Tatortes ihren Abschluss gefeiert hatten. Neue Anhaltspunkte ergeben sich nicht.
7. November 2011: Das LKA teilt mit, dass die geraubten Pistolen der beiden Heilbronner Polizisten in einem ausgebrannten Wohnwagen bei Eisenach (Thüringen) entdeckt wurden. In dem Wohnwagen waren zuvor die Leichen von zwei Männern gefunden worden, die mit einem Banküberfall vom 4. November in Verbindung gebracht werden.