Um den Wahrheitsgehalt der Vergewaltigungsvorwürfe besser einschätzen zu können, entschied sich die Justiz für eine gemeinsame Vernehmung.

Paris. Der frühere IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn hat sich einer gemeinsamen Vernehmung mit seinem mutmaßlichen Pariser Vergewaltigungsopfer Tristane Banon gestellt. Der Termin bei den französischen Ermittlern dauerte am Donnerstag rund zweieinhalb Stunden. „Jeder ist bei seiner Position geblieben“, sagte ein Anwalt Strauss-Kahns dem Sender BFM TV. Sein Mandant habe keinen Grund, sich bei der jungen Frau zu entschuldigen. Einzelheiten über den Verlauf wurde zunächst nicht bekannt. Weder der 62-jährige Strauss-Kahn noch die rund 30 Jahre jüngere Banon gaben nach der Vernehmung eine persönliche Stellungnahme ab.

Die 32 Jahre alte Autorin Banon wirft Strauss-Kahn vor, im Februar 2003 über sie hergefallen zu sein. Der Politiker hatte sie damals zu einem Interview in eine offensichtlich unbewohnte Pariser Wohnung eingeladen. Um den Wahrheitsgehalt der Vorwürfe herauszufinden, entschied sich die Justiz jetzt für eine Konfrontation der beiden. Bislang handelt es sich nur um Vorermittlungen.

Der 62-Jährige bestreitet bislang jegliche Gewaltanwendung gegenüber der Frau. Bei seiner ersten Vernehmung hat er allerdings nach Medienberichten einen Anmachversuch eingeräumt. Er habe sie küssen wollen, sei aber auf Widerstand gestoßen, berichtete lexpress.fr unter Berufung auf Ermittler. Öffentlich betonte er bislang, das Treffen sei völlig normal verlaufen.

Nach seiner Vernehmung am Donnerstagvormittag verließ er das Polizeigebäude mit einem Lächeln auf den Lippen. Banon wollte sich am Abend in den Hauptnachrichten des TV-Senders TF1 äußern. Sie hatte zuvor gesagt: „Ich will, dass er mir gegenüber sitzt und mir gerade heraus in die Augen sagt, dass es erfundene Ereignisse sind.“

Banon hatte sich erst Anfang Juli dieses Jahres zu einer Anzeige gegen Strauss-Kahn entschlossen. Damals stand der Politiker wegen ähnlicher Vorwürfe eines Zimmermädchens in New York unter Anklage. Das strafrechtliche Verfahren in den USA ist mittlerweile eingestellt. Wegen der Vorwürfe war Strauss-Kahn bereits im Mai von seinem Posten als Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückgetreten.

Die französische Justiz muss nun entscheiden, ob sie ein offizielles Ermittlungsverfahren einleitet in einem Fall, der acht Jahre zurückliegt, und in dem Aussage gegen Aussage steht. Sie kann auch zu dem Schluss kommen, dass es sich nur um sexuelle Belästigung gehandelt habe. Diese wäre - im Unterschied zu versuchter Vergewaltigung- verjährt.

Banon hat bereits angekündigt, eine Einstellung des Verfahrens nicht hinnehmen zu wollen. In diesem Fall will die Autorin eine Strafklage mit einem Schadensersatzbegehren kombinieren. Ein Untersuchungsrichter muss sich dann mit der Sache beschäftigen.

Noch offen ist auch der Ausgang der Zivilklage des New Yorker Zimmermädchens Nafissatou Diallo. Strauss-Kahn hat jüngst beantragt, sie abzuweisen. Sein New Yorker Anwalt verwies unter anderem auf die diplomatische Immunität des damaligen IWF-Chefs.